Retten in Etappen... have fun!

Notfallszenarien für Ersthelfer bis Rettungsdienstmitarbeiter.

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22.01.2010, 17:26
In der frühen Phase des Fallbeispiels lies sich das ja ganz gut an. Ich möchte auch lobend die Idee von Toris hervorheben, die Infos an das Sekretariat auch per Zettel schriftlich zu fixieren und mitzugeben.
Und den Fehler mit der Lagerung konnte Püppi ja rechtzeitig verhindern. Aber ein LSMler hilft nunmal nach bestem Wissen und Gewissen.... für's nächste mal weiss Toris es sicher besser.

Das der SSD dann allerdings doch eine Schocklage umsetzt, erschreckt mich schon. Das macht die ganze restliche Versorgung, die gut verlaufen ist (insofern Lob an Kevin für den Teil) leider hinfällig. Bei Verdacht auf Wirbelsäulentrauma und SHT habe ich gleich 2 Punkte, die gegen eine Schocklagerung sprechen! Das muss ich von einem SSDler verlangen können, das er das weiss (EH-Kurs-Niveau).

@Rettungsdienst:

Gute Tendenzen, es folgt allerdings ein großes ABER. Immerhin sind da ein paar Fehler bei, die sich eingeschlichen haben. Chronologisch:

Mike, HAES ist zwar ein probates Mittel zur Volumentherapie, aber für das Rettungsdienstpersonal zumeist nicht zugelassen. Uns stehen nur Vollelektrolytlösungen zur Nutzung frei. Da kann's Probleme geben, sonst.

Ihr alle habt nicht so recht einen "roten Faden" in Eure Handlungen rein bringen können und nicht wirklich nach Prioritäten geordnet. Minnyle hat sich gerade in der Frühphase gut um Struktur bemüht, aber das brach dann auch alles zusammen. Reichliches Durcheinander.
Auch erschliesst sich mir nicht, warum der BZ jetzt so immens wichtig war!? Ich mein, wenn ich eh n Zugang leg, nehm ich gleich Blut mit ab und kann dann fix auch n BZ-Wert machen. Alles kein Problem, schon gar nicht, wenn man zu Dritt ist. Aber das ist eher so ein Standard-Ablauf nebenbei, damit man nichts übersieht (als sturzauslösende Ursache) - nichts, was mir bei einem Z.n.Treppensturz mit daraus resultierender Bewusstlosigkeit fulminant wichtig erscheint. (btw: Warum den BZ nicht aus dem venösen Blut messen? *staun*)

Bei erhaltener ausreichender Spontanatmung dauernd Intubation einfordern (das der Patient sich wehrt, ist höchst wahrscheinlich) erscheint mir unnötig. Das ist total over-dosed. Sowas macht man dann mit NA und vernünftiger Narkoseeinleitung. *kopfschüttel*
Ausserdem ist der Zahn erstmal ziemlich unwichtig. Wenn den nicht zufällig einer findet, kann ich auf einen Zahn auch getrost verzichten. Entweder der Patient hat Glück und es war eh noch kein Bleibender oder er bekommt zur Not einen Ersatz... bei Bolusgeschehen sieht das ganz anders aus, da würde ich auch laryngoskopieren, um das Corpus delicti enstprechend heraus zu bekommen. Hier nicht!

Supra ist hier der nächste "Zonk" in meinen Augen. Also wie es aktuell ausschaut weiss ich auch noch nicht, nachdem Alupent jetzt so in Verruf geraten ist, aber vor 4 Jahren hab ich noch folgendes Schema gelernt:
HF 40 - 60 Atropin (0,5 mg), 20 - 40 Alupent, 0 - 20 Adrenalin/Supra/...

Von daher hätte ich hier vermutlich noch am ehesten zum Atropin tendiert. Aber als RA bleibt eine medikamentöse Therapie immer die Ultima Ratio, vergesst das nicht. Für den Minimalkreislauf des Patienten hätten die 30 bpm vermutlich auch so zum Überleben bis zum Eintreffen des Docs gereicht. Ansonsten hättet ihr halt das Reanimieren angefangen.

[ggf kann man hier bei einem niedrigen RR und der Bradycardie auch Dobutamin, NA-Perfusor oder ähnliches andenken als notärztliche Therapie.]

An der Stelle steige ich jetzt mal aus mit meinen Anmerkungen....denn nun bitte ich doch inständig um Kritik an meinen Ausführungen von Markus, Don und Co. Schließlich hab ich mich hier ja auch arg weit aus dem Fenster gelehnt, als RA einen Notarzt mimen zu wollen.
Gerrit (RettAss)
"Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht!" --- ASP, Ich bin ein wahrer Satan
ASP - Sage Nein!

22.01.2010, 17:47
Original von GeKue
(btw: Warum den BZ nicht aus dem venösen Blut messen? *staun*)


Der Wert soll niedriger liegen bei venösem Blut, als bei kapillarem Blut. Das soll grade bei Apoplex Patienten wichtig seien, da sonst durch den falsch niedrigen Wert ev tl eine Glucose gabe veranlasst wird die das Outcome verschlechtern könnte. So habe ich das in der Ausbildung gelernt, und bei Apo Patienten im RD achtet der eintreffende NA auch immer drauf das wir kapillar messen (ja, da wo ich fahr / fuhr wird ein NA mitalarmiert bei V.a. Apo).

Bei diesem FB wars mir nur wichtig, weil ich Sorge hatte, SunshineSani würde uns danach einen Strick draus drehen wenn wir einen falsch niedrigen Wert notieren.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

22.01.2010, 19:53
@BZ:
Komisch, das muss ich mal unserem Labor sagen, die bestimmen uns immer den BZ aus venösem Blut. :)
Einen Trigger, Glucose zu geben, würde ich mal bei einem BZ von 60 und tiefer annehmen. Neueste Studien zeigen, dass kritisch kranke Patienten global eine geringere Mortalitätsrate haben, wenn der BZ bei 180 gehalten wird, im Vergleich zur ganz straffen Einstellung um die 120. (Wahrscheinlich, weil im letzteren Fall Hypoglycämien häufiger sind). Also reden wir von einem riesigen Bereich zwischen unserem Glucose-Trigger von 60 und einem Bereich von >180, bei dem man dem Patienten erst geschadet hat. So genau wird das Gerät schon messen - selbst mit venösem Blut. Wir machen in unserem RD-Bereich die BZ-Messungen immer, wie Gekue beschreibt, aus der IV-Nadel.

Zum Thema Intubation in diesem Fall ist letztlich schon alles gesagt. Die Maßnahme war nicht lebensnotwendig und die Erfolgswahrscheinlichkeit ohne Narkose marginal. Jeder Gutachter hätte Euch einen Strick daraus gedreht.
Bei einem SHT besteht schon ein Verdacht auf einen erhöhten Hirndruck. Wenn der Patient bei einem Wachintubationsversuch nun hustet und würgt, wird dieser Hirndruck eventuell kritisch und dauerhaft erhöht.
Markus hat ebenfalls noch ein weiteres Problem erwähnt: Bei instabilem Thorax besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Patient einen Pneumothorax hat, auch wenn man ihn nicht auskultatorisch finden kann. Nach der Intubation wird dieser dann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit durch den Überdruck in einen Spannungspneu überführt und ihr habt einen Patienten im Herz-Kreislaufstillstand. Und dann? Legt ihr dann noch eine Thoraxdrainage?
Nun kann man sich zwei Möglichkeiten vorstellen:
1. Ihr wusstet von all diesen Komplikationen und seid so abgebrüht, sie in Kauf zu nehmen, im Glauben, sie zu beherrschen.
2. Ihr wusstet nichts davon und wisst nun, warum die endotracheale Intubation eine ärztliche Maßnahme darstellt.

Komisch finde ich auch, dass sich in diesem Beispiel der RD das Recht herausnimmt, eine Intubation durchzuführen oder Supra zu geben, bei der Gabe von Haes aber darauf besteht, dies nicht zu dürfen. ;)

Den Blutdruck würde ich mit Noradrenalin anheben, wenn notwendig. Dobutamin dauert zu lange, bis man sich zur richtigen Dosis herangetastet hat und außerdem besteht bei unserem jungen Patienten wahrscheinlich kein Problem mit der Inotropie.

@US-Fraktur: Ich persönlich hätte diese nicht reponiert, es sei denn, es hätte eine dramatische Fehlstellung vorgelegen. Die Sensibilität kann ich ohnehin nicht testet. Wenn der Nerv durchtrennt ist, kann ich ohnehin nichts mehr retten und wenn er "nur" komprimiert ist, wird er sich auch nach Stunden noch erholen.

@Infusionsmanagement: Ich denke, ich habe hier schon ausreichend einklingen lassen, dass ich nichts von kristalloiden Lösungen zur Blutdrucktherapie halte. Nur etwa 20% der infundierten Flüssigkeit verbleiben im Gefäßsystem, der Rest geht irgendwo hin, wo er nicht hin soll und nur Schaden anrichtet. Zum Glück wird der Kram schnell wieder ausgeschieden.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

23.01.2010, 22:11
Danke Don. Ist immer wieder schön noch das eine oder andere Detail von dir zu lernen. Ich denke damit ist auch alles gesagt worden. Oder?
Vielleicht nochmal ein paar Worte von denen, die versorgt haben!
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Alex
"Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!"

29.01.2010, 18:08
Das der SSD dann allerdings doch eine Schocklage umsetzt, erschreckt mich schon. Das macht die ganze restliche Versorgung, die gut verlaufen ist (insofern Lob an Kevin für den Teil) leider hinfällig. Bei Verdacht auf Wirbelsäulentrauma und SHT habe ich gleich 2 Punkte, die gegen eine Schocklagerung sprechen! Das muss ich von einem SSDler verlangen können, das er das weiss (EH-Kurs-Niveau).


Dass ich mich falsch entschieden habe hat der Verlauf des Fallbeispiels gezeigt, aber ich habe auch nicht damit gerechnet dass der Patient so schnell bewusstlos geworden wäre. Aufgrund dessen dass er immer weiter eintrübte wäre selbiges (wenn ich mir den Verlauf betrachte) so oder so passiert. Wie im FB schon erwähnt stand ich vor der Entscheidung ob jetzt Kopf hoch oder runter, leicht gemacht habe ich mir die nicht!
Im Nachhinein muss ich aber eingestehn dass ich nicht nach Schocksymptomen (Haut,...) gefragt habe, und daher eine Kopf-Hoch-Lagerung mit RR Überwachung als alternativ-Verfahren angebracht gewesen wäre.

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