Einsatz bei der Abi-Party [SAN und EH]

Notfallszenarien für Ersthelfer bis Rettungsdienstmitarbeiter.

Foren-Übersicht Erste Hilfe, Rettung und Medizin Fallbeispiele

18.01.2016, 12:52
Nico ist 19 Jahre alt, normalgewichtig und etwa 1,80 groß. Mithilfe des Freundes bekommt ihr raus, dass Nico an Diabetes Mellitus Typ 1 erkrankt ist und sich regelmäßig Insulin spritzt. An das letzte mal kann er sich nicht genau erinner. Es muss irgendwann am Nachmittag gewesen sein. Ihm ist weiterhin übel, Erbrechen musste er noch nicht. Bluthochdruck ist nicht bekannt. Als ihr nochmal gezielt nach Arzneimittelallergien fragt, kann Nico sich an eine Penicillin-Allergie erinnern.
Krankenwagen findet er nicht so toll, er möchte eigentlich einfach nur schlafen...
18.01.2016, 20:02
Ich sehe es so, dass der Rettungsdienst garantiert hier von Nöten ist. Daher versuche ich noch einmal Nico zu überzeugen: "Du Nico, wir rufen jetzt, den Rettungsdienst, weil dein Blutzuckerwert viel zu niedrig ist. Als Diabetiker weißt du ja sicherlich auch, dass der Normalbereich bei 80 bis 120 mg/dl liegt. Dein Blutzucker liegt bei aber bei 45 mg/dl."
Wenn wir Traubenzucker haben, würde ich ihm gerne ein oder zwei Stückchen geben, zusätzlich dazu soll mal ein Freund von Nico Cola besorgen. Wenn kein Traubenzucker zur Verfügung stehen sollte, geben wir ihm nur Cola oder irgendein anderes zuckerhaltiges Getränk.

Desweiteren würde ich dann mal den Notruf wählen: "Hallo, Andreas mein Name. Wir haben hier an der XY Schule in der Musterstraße 1 in Musterstadt einen männlichen Patienten mit Platzwunde nach Sturz und Alkoholkonsum, der zudem unterzuckert ist. Wir bräuchten hier daher den Rettungsdienst."
Dazu warte ich, ob der Disponent noch weitere Fragen hat.

Nachdem wir für Nico Zucker besorgt haben und er diesen eingenommen hat, würde ich jetzt nochmal nach ungefähr 5 Minuten den Blutzucker messen.
Außerdem schaue ich nochmal auf unser Pulsoximeter und bitte Johanna erneut den Blutdruck zu messen.
Außerdem richte ich mich nochmal an Nico selbst: "Wir würden dir jetzt mal eine Decke überlegen, wenn das für dich in Ordnung ist." Zusammen mit Johanna lege ich, bevorzugt eine Patientendecke, wenn wir nur Rettungsdecken haben, nehmen wir natürlich diese, über Nico, sodass seine Arme und der Kopf frei bleiben und stopfen den Deckenrand unter seinen Körper.
Wie wirkt Nico jetzt auf mich?

Zur Pupillendiagnostik, ich schirme grundsätzlich das eine Auge von dem anderen Auge ab und vergleiche, ob Seitengleichheit vorliegt. Dann leuchte ich einige Sekunden in das Auge und achte auf die Form, Größe und Reaktion auf Licht der Pupille. Bei der Form achte ich auf eventuelle Verziehungen und natürlich auf Seitengleichheit. Die Pupillengröße schätze ich nach sehr weit, weit, normal, eng und sehr eng ein. Bei der Reaktionsprüfung auf Licht beobachte ich zusätzlich die andere Pupille und erwarte dort ebenfalls die gleiche Reaktion. Im Idealfall kommt es dort natürlich zur Verengung der beiden Pupillen. Außerdem schaue ich bei der Gelegenheit, ob die Augen gerötet sind.
19.01.2016, 09:16
Die Pupillen sind initial mittelweit, reagieren prompt und seitengleich. Der Disponent schickt euch nach eurem Notruf einen RTW! Nach der Zufuhr von zuckerhaltigen Getränken geht es Nico gleich besser. Der BZ-Wert liegt bei > 60 mg/dl, der Blutdruck ist auf 130/80 gefallen. SpO2 liegt weiterhin bei 98%.

Nehmt ihr noch weitere Maßnahmen vor? Ansonsten bitte ich um die Übergabe an den Rettungsdienst.
19.01.2016, 15:41
" Hallo, wir sind Johanna und Andreas von unserem SSD. Das ist Nico. Bei der Abiturfeier hier ist Nico nach drei Bier auf nüchternen Mageb hingefallen und hat sich eine Kopfplatzwunde zugezogen. Er ist Typ 1 Diabetiker und hatte vor 10 min einen BZ von 45mg/dl, mittlerweile ist der aber nach einer Cola über 60mg/dl gegangen. Sein Blutdruck lag anfangs bei 160/100 mmHg ist jetzt aber wieder bei 130/80. Außerdem hat er eine Penicillin Allergie. Noch fragen?"
19.01.2016, 18:00
Der Rettungsdienst hat keine weitere Fragen. Das Fallbeispiel ist hier beendet. Gerne könnt ihr jetzt Feedback und Kritik äußern sowie eure Arbeitsdiagnose stellen :)

Viele Grüße
vision
19.01.2016, 18:12
Erst einmal vielen Dank an Vision für das tolle FB :)
Also ich fand dass es eigentlich ganz flüssig lief. Mit der Allergie hast du uns zwar geholfen(hätte nicht mehr weitergefragt), aber generell haben wir aus meiner Sicht keine gravierenden Fehler gemacht. Ich vermute er hatte (besonders vorm Trinken) zu wenig gegessen und sich vielleicht zu viel Insulin gespritzt. Er könnte außerdem eine leichte Gehirnerschütterung vom Aufprall haben. Alles in allem meiner Meinung nach gut erstellt und gelöst
20.01.2016, 21:18
Ich habe im ersten Moment an ein SHT 1. Grades Gedacht, was auch ganz gut wegen dem Unfallhergang, der kurzen Bewusstseinsstörung und der Übelkeit gepasst hat. Dazu kam dann die Geschichte mit der Diabetes Typ I Erkrankung, was sich ja dann letztendlich auch als Hypoglykämie herausgestellt hat.
Im Großen und Ganzen fallen mir jetzt keine großen Patzer auf, die wir uns geleistet haben und bin daher ganz zufrieden.
Ich bin jetzt aber mal auf das Feedback von Vision gespannt.

LG Andreas
21.01.2016, 13:12
Erst einmal vielen Dank für die Teilnahme an meinem ersten Fallbeispiel! Bei diesem Fall hattet ihr mit diversen Symptomen zu tun, die auf verschiedene Krankheitsbilder zutreffen. Ihr hattet dementsprechend mehrere Differenzialdiagnosen, die es galt auszuschließen.

Folgendes war passiert: Nico hatte sich am Nachmittag Insulin gespritzt aber vergessen, danach ausreichend zu essen. Kombiniert mit der geringen Menge an konsumierten Alkohol sorgte dies für eine hypoglykämische Entgleisung, die zentralvenöse (Koordinationsstörungen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit), parasympathische (Müdigkeit, Übelkeit) und sympathische (leichte Tachykardie, Hypertonie, Kaltschweißigkeit) Symptome hervorrief. Der Sturz erfolgte als Folge der Hypoglykämie und war nicht Alkohol-bedingt. Ein SHT bestand nicht. Mit dem Fallbeispiel wollte ich das Bewusstsein schaffen, dass bei neurologischen Ausfällen und unklarer Bewusstlosigkeit immer auch eine Hypoglykämie in Betracht gezogen werden muss. Gerade bei Patienten, die auch Alkohol konsumiert haben, ist daher eine Kontrolle des BZ obligat.

So viel zur Theorie. Euer Vorgehen war meiner Meinung nach vollkommen ok :good: Die Hypoglykämie habt ihr erkannt und dementsprechend Maßnahmen eingeleitet. Lediglich die strukturierte Bearbeitung war noch nicht perfekt. So hättet ihr euch beispielsweise initial über C-ABC schon einmal einen Ersteindruck machen können. Ihr habt aber im Endeffekt alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen eingeleitet.

Das Rufen eines RTWs war in Ordnung, meiner Meinung nach allerdings nicht zwingend notwendig. Man hätte auch erst einmal abwarten können, wie sich der Zustand des Patienten nach oraler Glucose-Gabe verändert. Klar ist, dass die Platzwunde eine ärztliche Abklärung benötigt, ein Taxi oder das Abholen durch die Eltern wäre aber m.E. vollkommen ausreichend gewesen - eine deutliche Besserung der hypoglykämischen Symptome vorausgesetzt.
21.01.2016, 14:46
"So hättet ihr euch beispielsweise initial über C-ABC schon einmal einen Ersteindruck machen können." Was ist das denn? Ich kenne nur Sample
21.01.2016, 16:58
vision hat geschrieben:hypoglykämische Entgleisung, die zentralvenöse (Koordinationsstörungen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit),

Ich glaube das Wort, welches du suchst, ist ein anderes. ;)

parasympathische (Müdigkeit, Übelkeit)

Wie soll es denn zu einer Parasympathikusaktivierung kommen? Wann ist dir übel: Vor der Klausur oder abends auf dem Sofa?
Kann die Müdigkeit noch einer anderen "Symptom-Qualität" zugeordnet werden?

sympathische (leichte Tachykardie, Hypertonie, Kaltschweißigkeit) Symptome hervorrief.

Warum kommt es zur Sympathikusaktivierung bzw. wäre das nicht kontraproduktiv wenn ich oben den PS schießen lasse? Ist der Hypoglykämiker notwendigerweise manifest hyperton?
Woher kommt die Kaltschweißigkeit?
25.01.2016, 20:30
Also Vision, ich bin ja bei deiner Kritik ganz bei dir, aber bezüglich des Behandlungsschema ABCDE oder meinetwegen C-ABCDE kann ich dir leider nicht ganz zustimmen. Ich habe mich, Johanna dann wahrscheinlich unbewusst, sehr wohl an den Ablauf gehalten. Aber zeige uns doch mal bitte auf, inwieweit wir davon abgewichen sind.

LG Andreas
28.01.2016, 09:50
Sehr interessantes Fallbeispiel mit mehr Komplexität als oberflächlich zu erkennen.

Der Patient hatte ja offensichtlich beim Eintreffen der Sanis eine geringgradige Bewusstseinsstörung. Zudem hatte er reichlich Alkohol getrunken und war gestürzt. Hinzu kam dann noch sein Diabetes.

Für die Vigilanzminderung kamen als drei Möglichkeiten in frage:

- Alkoholintoxikation
- SHT
- Hypoglycämie

Hier würde mich doch jetzt einmal interessieren, wie denn nun sein Sturz aussah. Was war denn direkt nach dem Sturz? Wie war denn der zeitliche Verlauf der Bewusstseinsstörung? Vielleicht ist er ja nur getaumelt, vielleicht aber auch ungebremst aus dem Stand gefallen.

Klar ist es wahrscheinlich, dass seine Bewusstseinsstörung an der Hypoglycämie lag. Genauso ist es aber möglich, dass er aufgrund des Alkoholkonsums gestürzt ist, sich ein SHT zugezogen hat und die Aufklärung nach Zuckergabe nur eine zeitliche Koinzidenz ist.
09.02.2016, 14:00
Leitlinienkonform wäre eine cCT.
03.05.2016, 10:58
Hallo zusammen,

danke noch einmal für euer Feedback. da ich in letzter Zeit mit Beruf und RTW-Praktikum beschäftigt war, hatte ich das Forum etwas aus den Augen verloren. Ich werde versuchen, mir in den nächsten Tagen etwas Zeit zu nehmen, um auf euer Feedback einzugehen!

Beste Grüße
vision
13.09.2016, 08:25
So, besser spät als nie hier noch ein kurzes Feedback zum Feedback!

gorld hat geschrieben:Ich glaube das Wort, welches du suchst, ist ein anderes. ;)

Definitiv ;)

gorld hat geschrieben:parasympathische (Müdigkeit, Übelkeit)
Wie soll es denn zu einer Parasympathikusaktivierung kommen? Wann ist dir übel: Vor der Klausur oder abends auf dem Sofa?
Kann die Müdigkeit noch einer anderen "Symptom-Qualität" zugeordnet werden?

sympathische (leichte Tachykardie, Hypertonie, Kaltschweißigkeit) Symptome hervorrief.
Warum kommt es zur Sympathikusaktivierung bzw. wäre das nicht kontraproduktiv wenn ich oben den PS schießen lasse? Ist der Hypoglykämiker notwendigerweise manifest hyperton?
Woher kommt die Kaltschweißigkeit?

Hier habe ich mich tatsächlich verlesen, als ich für das Feedback noch einmal den Verlauf im Fachbuch nachgelesen hatte. Das passiert wenn man die Passagen nur überfliegt :) Zwar können sowohl sympathische als auch parasympatische Symptome auftrete, allerdings natürlich nicht gleichzeitig sondern im Verlauf. Im Kompensationsstadium kommt es dabei zu einer Sympathikusaktivierung, während danach parasympathische Symptome auftreten.

Don Spekulatius hat geschrieben:Hier würde mich doch jetzt einmal interessieren, wie denn nun sein Sturz aussah. Was war denn direkt nach dem Sturz? Wie war denn der zeitliche Verlauf der Bewusstseinsstörung? Vielleicht ist er ja nur getaumelt, vielleicht aber auch ungebremst aus dem Stand gefallen.

Klar ist es wahrscheinlich, dass seine Bewusstseinsstörung an der Hypoglykämie lag. Genauso ist es aber möglich, dass er aufgrund des Alkoholkonsums gestürzt ist, sich ein SHT zugezogen hat und die Aufklärung nach Zuckergabe nur eine zeitliche Koinzidenz ist.


Prinzipiell hast du natürlich recht. Im Rahmen der Fremdanamnese hatten wir die Information bekommen, dass die Bewusstseinsstörungen bereits vor dem Sturz vorlagen und die Symptome daher kausal der Hypoglykämie zugeordnet. Im Fallbeispiel wäre diese Info auch weitergegeben worden, wäre hiernach gefragt worden. Hunderprozentig ausschließen kann man ein SHT präklinisch natürlich trotzdem nicht.

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