Umgefallen (SSD, ggf auch RD/KH)

Notfallszenarien für Ersthelfer bis Rettungsdienstmitarbeiter.

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22.11.2016, 20:40
Ich komme viel zu spät dazu. Hab trotzdem noch Senf dabei.

Schnell und instabil heist Kardiovertieren (das wurde bereits mehrfach gesagt). Dafür bitte auch eine Analgesie mitgeben. Der Patient war komplett wach. Midazolam und Fentanyl wäre eine möglich kombi. Ketanest wäre schlecht. Formal mag dieser Herr instabil sein, allerdings kommuniziert er sicher, sitzt, und löst nicht das "OH MEIN GOTT" in meiner Rettungsdienst-Brust aus. Darum wäre IMHO hier auch Zeit für eine adäquate Analgosedierung vor der Kardioversion.
Wenn man Medikamentös Therapieren möchte, müsste man die HRST schon etwas genauer benennen.

Maxi schließt ein ACS aus. Warum? Es gibt auch ACS ohne ERBS.
Auch müsste man überlegen was eine sehr häufige Ursache für neue HRST ist? (KHK / ACS).

Was hat dieser Patient nun? Am EKG ist zu sehen: schnell, breit, unregelmäßig. Keine P Wellen zu sehen. Das passt nun nicht so sehr zu WPW. Ich sehe hier einen Linksschenkelblock. VHF mit TAA & LSB sind eine mögliche Interpretation. Ich sehe keine Sgarbossa Kriterien erfüllt (wobei ich da nicht so firm bin). Es kann natürlich auch TAA bei VHF und WPW sein, allerdings sind dann die Frequenzen sehr schnell so weit ich mich entsinne ( >200).

Ein interessantes EKG, wo ich mich nicht sicher fühle mit der Vermutung, dass Deltawellen zu sehen sind. Ich würde ihn in eine Klinik mit HKL bringen wenn dies vertretbar ist, da ACS definitiv für mich noch nicht vom Tisch ist.

Vielen Dank für den Fall! :)
23.11.2016, 19:39
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Was hat dieser Patient nun? Am EKG ist zu sehen: schnell, breit, unregelmäßig. 

oder auf Englisch "fast,broad,irregular"??? ;-)
24.11.2016, 13:10
...und wenn man jetzt noch die Anfangsbuchstaben anschaut, ....
27.11.2016, 19:27
?
27.11.2016, 20:29
?

Dabei warst du ja schon so nah dran...

FBI-Tachycardie: Fast, broad, irregular

Pathogenese ist die Kombination aus einem Vorhofflimmern mit einem Präexzitationssyndrom.

Um das zu erklären, muss man schon relativ weit in die Herz-Physio, in die Pathophysio und Rhythmologie einsteigen.

Normalerweise stimulirt der Sinusknoten den Vorhof und sorgt da für eine Kontraktion (P-Welle), da Vorhof und Kammer elektrisch voneinander getrennt sind und eigentlich nur eine Leitungsbahn, die das elektrische Signal verzögert, zwischen den beiden liegt, gibt es eine PQ-Zeit, bis der elektrische Reiz in der Kammer aufgelaufen ist und eine Kontraktion des Kammermyocards auslöst. Damit sich die Kammer überall gleichzeitig zusammenzieht (verbesserte Pumpfunktion, höherer Auswurf) läuft das elektrische Signal über HIS-bündel und den Tawara-Schenkeln, die halt schnell leiten, so dass das elektrische Signal überall im Kammermyocard gleichzeitig ankommt.
Bei einem WPW-Syndrom gibt es ein angeborenes zusätzliches Leitungsbündel zwischen vorhof und kammer (Kent-Bündel). bei einem Sinusrhyhtmus läuft die P-WElle ganz normal über den Vorhof, allerdings wird die Kammer sowohl über den normalen Weg (AV-Knoten, Verzögerung, HIS-Bündel...) als auch über das Kent-Bündel zur Kammer. Ein ganz kleiner Teil des Kammermyocards kontrahiert sich schon vorzeitig (das in unmittelbarer Nähe des Kent-Bündels), was man in der Delta-Welle sieht, sobald die Erregung über den regulären Teil läuft, kontrahiert sich dann das gesamte übrige Kammermyocard, da sich nur ein so kleiner Teil vorzeitig erregt, ist es für die Pumpfunktion nahezu unbedeutend.
Meistens kommt es bei einem WPW-Syndromen dann zu Symptomen (Tachycardie, eingeschränkte Pumpleistung, Palpitationen - also spüren des Herzschlages als Pochern ect) wenn es zu einer Reentry-Tachycardie kommt. in diesen Fällen läuft die Erregung nicht wie oben beschrieben (einmal schnell über Kent und einmal langsam über AV/HIS/Tawara) zur Kammer, sondern einen Weg zur Kammer (je nach Typ entweder den regulären weg über AV/HIS/Tawara, oder aber über Kent) und den anderen Weg zurück zum Vorhof (über den bei der Kammererregung nicht geleiteten weg, da dieser noch refraktär, also unempfindlich ist) - hierzu kommt es zu einem Ping-Pong Effekt, so dass Vorhof und Kammer sich immer gegenseitig erregen - mit hohen Frequenzen, regelmäßigem Herzschlag und schmalen Komplexen - dieses kommt plötzlich und anfallsartig und hört meistens (nach bestimmten Maneuvern, die der Patient einübt, aber auch bei Versagen nach Medikamenten oder im seltenem Fall nach elektrischem Strom) wieder auf. Unangenehm aber bei sonst gesundem Herz meist nicht gefährlich.
Die wirkliche gefährliche Form bei WPW ist die hier dargestellte FBI-Tachycardie - wenn ein solcher Patient mit WPW / Kent-Bündel ein Vorhofflimmern hat, werden Flimmerwellen sehr schnell auf die Kammer übertragen (weil die verzögernde Wirkung der normalen Reizweiterleitung fehlt) und machen eine Tachycardie [(hochfrequent, (abhängig von der Refraktärzeit), mit breiten Komplexen (weil sich die Erregung nicht von AV/HIS/Tawara sondern übers Kammermyocard ausbreitet und somit nicht zu einer gleichzeitigen Kontraktion führt) und unregelmäßig (weil immer andere Myocardfasern erregt werden, da ein Teil immer noch refraktär ist und somit die Erregung im Kammermyocard immer anders läuft)]. Bei der Therapie ist wichtig, dass man bestimmte Medikamente, die gelegentlich beim Vorhofflimmern zum Einsatz kommen, eben nicht gegeben werden dürfen. Eine Frequenzbremsung, die man sonst beim Vorhofflimmern macht (beeinflussung der Überleitungszeit Vorhof-->Kammer) funktioniert nicht, da die Erregung halt den Weg nicht nimmt. Daher muss man eher im Rettungsdienst unbgebräuchliche Antiarrhythmika (ajmalin) nutzen oder elektrisch kardiovertieren. Ziel ist hier umbedingt der Sinusrhytmus.
Im Verlauf werden solche Patienten abladiert, sprich das Kent Bündel wird durch Strom verödet.

Insgesamt eine sehr seltene Rhythmusstörung, die nur bei den Personen auftreten kann, wenn jemand mit einem Präexztiationssyndrom wie WPW noch ein Vorhofflimmern bekommt.
Sicherlich weit von dem weg, was ein Schulsanitäter wissen muss, selbst in vielen Basis-EKG büchern findet man es so nicht.

Interessanter Fall, glücklicherweise eine Rarität.
28.11.2016, 18:02
Markus hat geschrieben:Insgesamt eine sehr seltene Rhythmusstörung, die nur bei den Personen auftreten kann, wenn jemand mit einem Präexztiationssyndrom wie WPW noch ein Vorhofflimmern bekommt.
Sicherlich weit von dem weg, was ein Schulsanitäter wissen muss


Hyperventilation hatten wir jetzt ja schon 2-3 mal.... :megashok:
28.11.2016, 22:24
Ich habe doch VHF bei WPW genannt als Möglichkeit? Und darauf hingewiesen, dass die Frequenz etwas langsam wäre dafür.
28.11.2016, 23:38
:pardon: Keks?
29.11.2016, 13:26
Krieg ich das in den falschen Hals, oder sind die Beträge grade unnötig unhöflich, und unsachlich?

Inhaltlich wird nicht eingegangen, stattdessen wird mit wenig Worten abgewälzt. Wie gesagt, vielleicht versteh ich das falsch, aber grade kotzt mich der Thread an, was schade ist, weil der Fall ja interessant ist!
29.11.2016, 19:17
Du hast doch auch die richtige Diagnose mit erraten, Mike - alles entspannt. Einen Keks anzubieten ist ja wohl nun alles andere als unhöflich und kein Grund sich selbst anzukotzen. Zudem hatte Markus ja mehr als ausführlich zu Pathophysiologie und ggf. möglichen Therapieoptionen Stellung bezogen. Die "FBI-Tachykardie" hatten wir aus deiner Beschreibung abgeleitet - diese Beschreibung charakterisiert das vorliegende EKG und ist häufig die Aufschrift der Schublade: WPW mit VHF. Mit Blick auf deine angloamerikanischen Vorerfahrungen war ich fest davon ausgegangen, mit dem Akronym "FBI" zustimmend auf deine Diagnosestellung zu wirken, und nicht ein Fragezeichen zu kreieren.

ACS-Gedanken hätte ich bei diesem Patienten primär erst mal weniger - spätestens nach erfolgreicher Konversion in einen SR werden höchstwahrscheinlich die Beschwerden rückläufig sein und auch eventuell eine ausgeprägte Delta-Welle sichtbar sein. Als klassische direkt Folge einer Infarktnarbe würde ich eher andere HRST vermuten.
01.12.2016, 18:24
Dann hab ich das echt irgendwie missverstanden.... nix für ungut!

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