Periphere Zyanose - Ursache unklar?

Hier könnt ihr erlebte Einsätze schildern und sie können von uns gemeinsam besprochen werden.

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19.09.2012, 09:13
DER EINSATZ...

Dem Schulsanitätsdienst einer beruflichen Schule mit dem Schwerpunkt Handwerk und Technik wird am 18.09.2012 gegen 14.30 Uhr ein 20-jähriger Patient zugeführt, der über eine einsetzende Blauverfärbung der Finger klagte.

Die rein periphere Zyanose betraf schwerpunktmaßig die linke Hand, hier waren insbesondere Daumen, Mittel-, Ring- und Kleinfinger von der Verfärbung betroffen. Rechts waren die Symptome weniger ausgeprägt.

Das Team, bestehend aus Rettungsassistent, Sanitäter im Einsatzdienst und Sanitätshelferin, führte eine Anamneseerhebung mittels S-KAMEL-Schema durch und wendete die üblichen gerätediagnostischen Maßnahmen an.

S - ymptome
Die beschriebene Blauverfärbung wurde gegen 11.30 Uhr erstmalig bemerkt und nahm in der Intensität zu.

K- rankheiten (Grund- und akute Erkrankungen)
Wurden verneint. Der Patient ist sportlich und fährt in seiner Freizeit Rennrad.

A- llergien
Sind keine bekannt

M- edikamente
Es wurden keine Medikamente regelmäßig und akut eingenommen

E- reignis, auslösendes (Tätigkeit bei Auftreten)
Der Schüler saß zum Zeitpunkt des Auftretens im Theorieunterricht im normal beheizten Raum, der Kontakt mit Farben und chemischen Substanzen wurde verneint.

L- etzte...
Nahrungsaufnahme erfolgte am frühen Morgen nach 6 1/2 Stunden Schlaf.
Ein vergleichbares Ereignis ist vorher nicht aufgetreten.

Der Blutdruck des Patienten betrug 130/80, Die Sättigung (98%) konnte problemlos peripher an der betroffenen Hand ermittelt werden. Puls lag bei ca. 80/min., war regelmäßig und gut tastbar. GCS-Score lag bei 15. Auf eine Blutzuckermessung wurde bei vermuteter fehlender Indikation verzichtet.

Der Patient konnte die Hände/Finger uneingeschränkt bewegen, die Sensibilität war vorhanden und die Glieder waren normal temperiert.

Der Patient wurde aufgefordert, auch die Füße freizulegen, dort lagen jedoch keine Symptome vor.

Im Laufe der Versorgung wechselte die Blauverfärbung an den Händen mehrfach in der Intensität; war mal mehr, mal weniger ausgeprägt.

Da das Team keine ursächliche Verdachts-/ Arbeitsdiagnose stellen konnte, versuchte man eine telefonische Kontaktaufnahme zur ärztlichen Leiterin (Tele-Konsil) mit Zusendung von digitalen Fotoaufnahmen der betroffenen Hände, diese schlug leider aufgrund fehlender telefonischer Erreichbarkeit fehl.

Dem Patienten wurde daher angeraten, bei ausbleibender Besserung einen Arzt zu konsultieren.


DISKUSSION...

Im Zuge der routinemäßigen Nachbesprechung unter Zuhilfenahme eines standardisierten Nachbesprechungsprotokolls wurde festgestellt, dass keine klare Ursache für die Zyanose an den Händen gefunden werden konnte und niemand im Team in der Lage war, eine Verdachtsdiagnose zu formulieren. Folglich richtig wurde der Patient aufgefordert, sich bei einem Arzt vorzustellen.

Besteht im jeweiligen Schulsanitätsdienst die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zu ärztlichem Personal, eignen sich moderne Smartphones mit eingebauter Kamera auch, um entsprechend aussagekräftige Bilder zu übermitteln, die dem ärztlichen Dienst bei der Findung einer Diagnose unterstützen können.

Die fehlende Erreichbarkeit wird im Zuge des Fehlermanagements zur Zeit analysiert.

Der Patient war beunruhigt über das Auftreten der Symptome und hatte gehofft, von uns Informationen zur möglichen Ursache und Tipps zur Abhilfe zu erhalten.

Diesem Wunsch konnten wir leider nicht entsprechen.

Wer (insbesondere aus dem rettungsdienstlichen/ärztlichen Bereich) kann hier Hinweise auf mögiche Ursachen geben?
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 19.09.2012, 09:31, insgesamt 2-mal geändert.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

19.09.2012, 11:09
Lässt an Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis denken: M. Winiwarter-Burger, (sekundäres) Raynaud-Syndrom...
Zuletzt geändert von peit am 19.09.2012, 11:10, insgesamt 2-mal geändert.

19.09.2012, 16:56
Original von peit
(sekundäres) Raynaud-Syndrom...


Das hätt ich spontan auch mal als Idee in den Ring geworfen. Schmerzen oder sonstige Beschwerden (Parästhesien o.ä.) hatte er gar nicht..?

Spannender Fall - vielleicht kannst du dazu mal weiteres berichten, sofern du was "raus bekommst"...?

20.09.2012, 08:01
So wirklich eine Antwort auf deine Frage kann ich dir nicht geben. Ich kann nur von einem ähnlichen Fall berichten. Allerdings in meiner Familie.

Mein Sohn (2) bekam im Februar diesen Jahres das erste mal eine Zyanose, anfangs nur die Hände und Unterarme. Ich war natürlich etwas irritiert und konsuliterte meinen Kinderarzt. Es wurde mit "naja es ist ja ziemlich kalt, das scheint die Ursache zu sein" Die Zyanoseattaken nahmen zu. An manchen Tagen mehr an anderen weniger. Später kam ebenfalls eine ausgeprägte Lippenzyanose dazu. Meist dann, wenn er gerade Fieber hat. Das ganze beunruhigte mich natürlich sehr und zog den ersten stationären Aufenthalt nach sich, aber 3 Ärzte meinten "alles gut". Auf mein Anliegen mal ein Echo zu machen reagierte man mit, es sei nicht nötig, EKG sei unauffällig.

Naja, um das mal zusammenzufassen hatten wir bis April 3 stationäre Aufenthalten, immer wieder mit peripheren Zyanoseattaken. Bis dann doch mal ein Echo gemacht wurde. Dabei wurde dann (entgegen aller ärztlichen Erwartungen) ein PFO sowie eine Mitralinsuffizienz. Also unklare Zyanosen würde ich persönlich immer auch kardiologisch abklären lassen.

LG Claudi
Zuletzt geändert von sanigirl am 20.09.2012, 08:02, insgesamt 1-mal geändert.

20.09.2012, 10:35
Ein guter Hinweis, nur halte ich ein PFO bei einem 20-jährigen, bisher symptomlosen Patienten für unwahrscheinlich.

Bei der genannten Symptomatik würde ich spontan eher mal an ein peripheres Gefäßproblem denken...

20.09.2012, 14:30
PFO passt mMn wirklich gut!
Es gibt recht viele Menschen die damit symptomlos um-hergehen. Darum ist das auch eine Gefahr beim Tauchen. Der gesunde Organismus kann die Effekte des kleinen Shunts im Normalfall verkraften, beim Tauchen jedoch fehlt dem Blut plötzlich die Lunge als "Filter" für microbläschen.
" Die jungen Leute von heute sind wesentlich angenehmer als in den 60er, 70er und 80er Jahren. Sie sind toleranter und respektvoller, auch älteren Leuten gegenüber. "
- Heino

20.09.2012, 20:18
Natürlich kann eine Zyanose auch kardiale Ursachen haben. Aber die beschriebene flüchtige, periphere Zyanose ohne weitere Symptome bei einem 20jährigen...

21.09.2012, 17:50
...der sonst symptomfrei Rennrad fährt..?

30.09.2012, 20:09
Sorry, das ich jetzt erst antworte, aber wir waren wieder mal im KH :(

Ich wollte auch gar nicht zum Ausdruck bringen, das der junge Mann ein PFO hat, ich wollte lediglich aufzeigen, das bei unklaren Zyanosen auch immer kardial gedacht werden sollte.


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