Schüttelfrost?

Hier könnt ihr erlebte Einsätze schildern und sie können von uns gemeinsam besprochen werden.

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18.10.2012, 16:56
Hallo,
heute hatten wir bei uns im SSD 2 Einsätze gleichzeitig:
Bei dem ersten Einsatz war einem 9.-Klässler (bevor er zu den Sanis geschickt wurde) übel und ist mit Begleitung ein wenig an die frische Luft gegangen. Doch dann plötzlich hatte er total gezittert und ist dann auf den Boden gefallen, weil er so stark gezittert hatte.
Danach ist er aber wieder aufgestanden und hat nur noch ein wenig gezittert. Seine Begleitung brachte ihn dann zu den Sanis.

Ich war bei dem Einsatz nicht dabei und habe das alles von seiner Begleitung erfahren.
Jetzt meine Frage: was hättet ihr getan?

Der zweite Einsatz war bei einer 5.-Klässlerin, die bei einem kleinen Gezanke Tipp-Ex ins Auge bekommen hatte.
Hier jetzt wieder die gleiche Frage, was ihr getan hättet.
Ich war leider wieder nicht dabei, da ich den Ausruf nicht gehört hatte.

Glg Minouchen
EH im SSD in Augsburg, 14 Jahre

18.10.2012, 18:30
zu 1. Wie war denn der Zustand des Pat. und seine Vitalwerte? War ihm kalt? Was habt ihr/ hast du denn gemacht?
Ich denke ausser einmal kurz anschauen und dann abholen lassen nicht viel.

zu 2. Ich hätte halt das Auge erstmal ausgespült, dann geschaut wie es ihr geht und davon das weitere Vorgehen abhängig gemacht.
Das Pfefferkorn ist klein, aber scharf.

19.10.2012, 09:33
Zu 1.):

"Schüttelfrost" ist die normale Reaktion des Körpers bei steigender Körpertemperatur (Fieber).

Um die Körpertemperatur zu erhöhen, muss der Körper die Muskeln arbeiten (zittern) lassen. Die Muskelbewegung produziert die Wärme, die der Körper für das Fieber braucht.

Erhöhte Temperatur (und Schüttelfrost) sind daher Anzeichen (Symptome) für eine (beginnende) Infektion.

Und der Körper braucht das Fieber, um es den Krankheits-Erregern "unbequem" zu machen.

Fieber ist also eine normale Abwehrreaktion des Körpers, die nur unterbunden werden sollte, wenn die Temperatur in bedrohliche Höhen steigt (z.B. über 40,5 Grad, ab 42 Grad können Einweiße im Blut ausflocken (denaturieren, wie beim gekochten Ei) und so Gefäßverschlüsse verursachen, die zum Tode führen). Leider geben viel zu viele Menschen gleich fiebersenkende Mittel, und verschlimmern dadurch die eigentliche Grunderkrankung (Infektion) nur noch.

Tritt zu dem Fieber als Zeichen einer Infektion auch noch Erbrechen auf, ist wahrscheinlich von einem Magen-Darm-Infekt auszugehen.

Daher: Ab nach Hause...

Und möglichst wenig Kontakt zum Patienten: Eigenschutz vor Infektionen...


Zu 2.):

Kontakt zur Herstellerfirma aufnehmen und Anleitungen für die konkrete Situation einholen. Die müssen Anweisungsblätter für Unfälle mit gesundheitsschädlichen Stoffen vorhalten. Ggf. sind erste Hinweise auch auf der Flasche abgedruckt (R- und S-Sätze).

Ich würde auch davon ausgehen, dass Augen spülen als Erstmaßnahme ausreicht. Wenn Sehstörungen oder sonstige Komplikationen auch einige Minuten nach der Spülung noch auftreten, sollte der Patient einem Augenarzt zugeführt werden. Ggf. dann beide Augen verbinden (Standard bei Augenverletzungen).

Wichtig ist, dass jeder SSD Möglichkeiten zur Augenspülung vorhält.
Zuletzt geändert von Hajo Behrendt am 19.10.2012, 09:43, insgesamt 1-mal geändert.
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

19.10.2012, 11:30
Mindergiftig, gesundheitsschädlich beim Einatmen, unbrennbar, Berührung mit den Augen und der Haut vermeiden.

http://de.wikipedia.org/wiki/1,1,1-Trichlorethan
Zuletzt geändert von Choleos am 19.10.2012, 11:31, insgesamt 1-mal geändert.
Rettungsassistent in München, 23 Jahre

19.10.2012, 12:59
Original von Hajo Behrendt
Wichtig ist, dass jeder SSD Möglichkeiten zur Augenspülung vorhält.


In der Tat, das wäre wichtig...
;(
Das Pfefferkorn ist klein, aber scharf.

19.10.2012, 13:20
@kstore: Es werden Augenspülflaschen in den Chemie-, Physik- und Biovorbereitungsräumen vorgehalten.

Ansonsten muss halt auf vorhandene Wasserhähne oder eine umfunktionierte Infusion zurückgegriffen werden...
Rettungsassistent in München, 23 Jahre

19.10.2012, 14:51
also ich war bei beiden einsätzen NICHT dabei, weiß daher die vitalwerte nicht
der 1. pat. wurde dann auch abgeholt, und normales zittern hätt ich jetz auch als "normal" gesehen, aber dass er auf den boden fällt, fand ich jetzt nicht so normal... sie haben ihn auf die liege gelegt und ihm eine decke gegeben.
Ich hätte auch noch die beine hochgelegt. wäre das jetzt ungünstig, günstig oder egal?

und bei einer tipp-ex flasche steht leider nichts drauf. und tipp-ex klebt ja auch so n bisschen...

meint ihr, ich sollte nach einer augendusche im sanizimmer fragen, weil wir haben in den bio-, chemie- und phxsikräumen augenduschen und die sind nicht so weit entfernt.
im sanizimmer haben wir nur einen wasserhahn, aber de spritzt ziemlich oder notfalls noch einen infusionsschlauch.

glg Minou
EH im SSD in Augsburg, 14 Jahre

19.10.2012, 18:07
die entsprechenden Fachräume mit Infusionsflaschen sind doch auch nicht immer offen..? Ansonsten ist die Variante mit einer Infusion + System durchaus praktikabel.

Blöd ist, dass die Patienten häufig einen Lidkrampf bekommen, und man das Auge aktiv öffnen muss, um effektiv zu spülen. Mit Lokalanästhetika kann man Abhilfe schaffen, aber eher nicht im SSD...


Zu dem geschüttelten Patienten:
Schüttelfrost ist teilweise imposant und wirkt fast wie eine Art Krampfanfall - ob es einen jungen Patienten deswegen umhaut mag ich nicht beurteilen. Warum würdest du ihn denn in die Schocklage legen wollen - ich würde das nämlich nicht tun...?

19.10.2012, 18:47
Original von leuchtreklamefahrer
die entsprechenden Fachräume mit Infusionsflaschen sind doch auch nicht immer offen..?


Es soll ja SSDs geben, die für solche Fälle einen Schlüssel haben... ;)
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

19.10.2012, 18:56
Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber dass Schulsanitäter einen Schlüssel für Fachräume haben, in denen sich Chemikalien etc. befinden, halte ich doch eher für eine sehr große Ausnahme und ganz ehrlich gesagt auch für sehr fahrlässig in Sachen Aufsichtspflicht und Unfallprävention.

Ich halte es also definitiv für angebrachter, schlichtweg die Möglichkeit der Augenspülung außerhalb dieser Räumlichkeiten herzustellen.
Caro, 28, Lehrerin.

20.10.2012, 14:33
also unsere fachräume sind nur offen, wenn dort unterricht stattfindet. aber jeder lehrer hat einen schlüssel dafür und das sekretariat auch. da hineinzukommen wäre also nicht das problem. Nur wenn da jemand unterricht drin hat, wär3e es vl nicht gerade sinnvoll da hinienzuplatzen

und zum schüttelfrost: ich dachte vl, wenn der von kreislaufproblemen kommt oder weill der pat ja vl einen schock bekommen aht, als er umgefallen ist...
EH im SSD in Augsburg, 14 Jahre

20.10.2012, 18:28
Rein aus Interesse: Was spricht denn gegen den guten alten Wasserhahn zum spülen der Aüglein?

20.10.2012, 19:35
Original von Blinki
Rein aus Interesse: Was spricht denn gegen den guten alten Wasserhahn zum spülen der Aüglein?


Das gelbliche Wasser... ;)
meine ich ... RA-Azubi ... Ex-SSDler am WEG Büdingen; Feuerwehrler bei der örtlichen FF; Mitglied beim MHD und dort bei SanDiensten, Fahrzeugpflege, im KatS und als Gruppenleiter bei der Jugend dabei; 18 Jahre

20.10.2012, 19:38
Haha ich meinte den Hahn der aus der Wand kommt, nicht den in der Hose.

20.10.2012, 19:56
Original von Minouchen
(...) Nur wenn da jemand unterricht drin hat, wär3e es vl nicht gerade sinnvoll da hinienzuplatzen (...)

und zum schüttelfrost: ich dachte vl, wenn der von kreislaufproblemen kommt oder weill der pat ja vl einen schock bekommen aht, als er umgefallen ist...


Zu Punkt 1: Bei uns ist es eigentlich selbstverständlich, dass eine Notfallversorgung immer Vorrang vor laufendem Schulbetrieb hat. Wenn ich nun einen bestimmten Ausrüstungsgegenstand benötige, der nicht in der Standardausrüstung mitgeführt wird, habe ich keine Probleme, im Sinne des Patienten auch mal den laufenden Unterricht zu stören.

Konkret ist und das mal bei einer Reizgassprüherei passiert. Da mussten mehrere Patienten zeitgleich mit Augenspülungen versorgt werden. Da der SSD nur über zwei Flaschen verfügt, habe ich noch weitere Flaschen aus den Fachräumen eingesammelt und dabei leider auch die Lehrprobe einer jungen Referendarin gestört. Tat mir zwar leid, ging aber nicht anders. Und die Herren vom Ministerium waren auch ganz angetan von der Qualität der Notfallversorgung an der Schule. Es wirkte sich auf jeden Fall nicht negativ auf die Benotung der Lehrprobe aus.

Zu Punkt 2: Mit dem Begriff "Schock" wird immer sehr inflationär umgegangen.

Ein Schock ist ein Missverhältnis zwischen vorhandener und benötigter Blut- (Flüssigkeits-) Menge, der zu einer Sauerstoffunterversorgung des Organismus führt. Unterschieden wird zwischen absolutem und relativen Volumenmangel und dem Pumpversagen des Herzens (Kardiogener Schock z.B. bei Infarkten).

Beispiel für einen absoluten Volumenmangel wäre der Volumenmangelschock (= viel Blut nach außen oder innen aus den Gefäßen ausgetreten) oder tagelang nicht getrunken und Durchfall gehabt...

Relativer Volumenmangel kann durch allergische Reaktionen (anaphylaktischer Schock), Rückenmarksverletzungen (neurogener/spinaler Schock) oder psychische Ursachen (psychogener Schock) verursacht werden. Hier kommt es zu einer Fehlverteilung des Blutes, z.B. durch "versacken" in den Beinen nach nicht angemessener Gefäßweitstellung.

Zwar nicht mehr ganz "up to date", aber immer noch ein gutes Hilfsmittel: Der Schockindex. Hier hat man gesagt, dass ein Schock vorliegt, wenn die Herzfrequenz (Schläge/min) höher liegt als der systolische Blutdruck (oberer Wert in mmHg.

Also: Puls 100, Syst. Blutdruck 110 = kein Schock

Puls 140, Systolischer Blutdruck 100 = Schock

Ein gutes Prüfzeichen für das Vorliegen eines Schocks ist auch die Nagelbettprobe (Kapillarprobe). Hier drückt man auf den Fingernagel, bis die rosa Farbe aus dem Nagelbett gewichen ist. Wenn man den Druck auf den Nagel dann wegnimmt, sollte sich das Nagelbett innerhalb von zwei Sekunden wieder in den (rosa) Ursprungszustand zurückversetzen, ansonsten Zentralisation=Schockanzeichen oder kalte Finger...

Wie wahrscheinlich ist es also, dass der Patient tatsächlich einen Schock hatte?
35 Jahre, Im-RTW-beim-Patienten-Sitzer, hauptamtlicher "Zivi"-in-den-Hintern-Treter, ehrenamtl. Löschknecht, Obermufti von einigen SSDs -- im schönsten Bundesland der Welt: Schleswig-Holstein!

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