Gewalt im Sanitätsdienst

Alles aus Feuerwehr, ASB, DLRG, DRK, JUH, MHD und THW

Foren-Übersicht Erste Hilfe, Rettung und Medizin Hilfsorganisationen

19.12.2011, 21:43
Ich habe da mal ne Frage:

Ist es bei euch schonmal vorgekommen, dass ihr auf Sanitätsdiensten oder im alltäglichen Einsatzgeschehen verbal oder auch körperlich angegriffen wurdet?

Es ist klar, dass jeder Sanitäter deeskalierend arbeiten sollte, jedoch habe ich auch schon von Sanitätern gehört, die bei Sanitätsdiensten Pfefferspray mit sich tragen.

Was haltet ihr von solchen Einstellungen und wie denkt ihr darüber?
Leiter eines Schulsanitätsdienstes
Einsatzsanitäter der Malteser
Rettungsschwimmer und Taucher

Sonst gibt es nicht viel zu sagen :))

19.12.2011, 21:52
Pfefferspray gehört in keine Einsatzjacke.
Als SanH solltest du neutral bleiben und so was nicht verwenden. Dies ist Sache der Polizei.

Verbal angegriffen wirst du auf jedem Weinfest. Besonders, wenn du in die Ausnüchterungszellen der Pol musst.

Ich habe kein Problem damit, die Polizei zu rufen. Die Nummer von der Polizei-EZ gehört in jedes Diensthandy und ist bei uns auch in den meisten Privathandys zu finden.
"Wir essen jetzt Opa!"
Satzzeichen retten Leben!

19.12.2011, 22:12
Pfefferspray gehört in jede Jackentasche, solange der Staat sein Gewaltmonopol nur zur Entwaffnung der gesetzestreuen Bürger nutzt. Das hat nichts damit zu tun, nicht deeskalierend zu wirken, sondern schafft eventuell eine Alternative, wenn Flucht nicht möglich ist. Übrigens gilt bei Pfefferspray die 30:30:30 Regel. Ein Drittel zeigt keine Wirkung, ein Drittel ist eingeschränkt und nur etwa ein Drittel wird kampfunfähig.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

19.12.2011, 22:13
Original von lafidiDie Nummer von der Polizei-EZ gehört in jedes Diensthandy und ist bei uns auch in den meisten Privathandys zu finden.


Ich würde allerdings auch behaupten, dass die zu nutzende Nummer in 99,9% der Kinderköpfe auch drin ist. Und genau da gehört sie am ehesten hin.
Ich fange bestimmt nicht an, über irgendwelche Büronummern zu kommunizieren...

Und zum Thema: Am allerbesten erst gar nicht in so eine Situation bringen lassen (Deeskalation/frühzeitiger Rückzug) und ansonsten: Rückzug ist die beste Verteidigung!
Ich sehe den Grund nicht, warum man immer angreifen will. Bis du irgendein Pfefferspray oder eine Waffe gezogen hast (überlegen sich so manche Ärzte und RDler), hast du schon eins auf die Schnauze gekriegt. Effektiv hast du dann trotzdem einen abgekriegt und dann noch zusätzliches Aggressionspotential (irgendwie zu Recht) aufgebaut.

Meiner Meinung nach die beste Methode: abhauen! Mit irgendetwas greifbarem vll einen Erstangriff abwehren (Koffer/Rucksack/das gute C3 oder so, wobei das Ampullarium eher schlecht ist :D ) und dann nichts wie weg. Den Rest dürfen die mit dem blau-weißen Partybus machen, die man am schnellsten und einfachsten über die 110 kriegt.
meine ich ... RA-Azubi ... Ex-SSDler am WEG Büdingen; Feuerwehrler bei der örtlichen FF; Mitglied beim MHD und dort bei SanDiensten, Fahrzeugpflege, im KatS und als Gruppenleiter bei der Jugend dabei; 18 Jahre

19.12.2011, 22:18
Gerade auf großen Wachen ist die 110 nicht immer die beste Lösung, da hier erst die Meldungen weitergeleitet werden müssen. Hier ist es eher von Vorteil, die Nummer der Pol-Einsatzleitung vor Ort zu kennen.
Ich bin als Rettungsschwimmer geboren, mit Wasser gestillt und aufgezogen! Hurra!:P

leverkusen.dlrg.de
www.drk-lev.de

19.12.2011, 22:21
Original von sebbe1995
Bis du irgendein Pfefferspray oder eine Waffe gezogen hast (überlegen sich so manche Ärzte und RDler), hast du schon eins auf die Schnauze gekriegt. Effektiv hast du dann trotzdem einen abgekriegt und dann noch zusätzliches Aggressionspotential (irgendwie zu Recht) aufgebaut.
.

Lieber einen Schlag abbekommen und sich dann wehren können als weiterhin hilflos zu bleiben. Mit dem geeigneten Training ziehst Du eine Waffe oder ein OC aus einem verdeckten Holster in etwa einer Sekunde. Eine Vollkaskoversicherung gibt es nicht. Eine Waffe verbessert Deine Chancen. Du klemmst ja auch nicht den Airbag ab, weil es dennoch noch Unfälle gibt. Flucht sollte aber immer die erste Wahl sein.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

19.12.2011, 23:25
Ich bin in meiner Familie mit Waffen aufgewachsen, daher habe ich nicht so ein gestörtes Verhältnis zu Waffen wie vielleicht die meisten Deutschen und Selbstverteidigung ist das Recht jedes Menschen, wie weit er dabei gehen will, bzw. wie weit er sich darauf schon vorher vorbereitet, ist dabei jedem seine Sache.
Ich denke man sollte sich die Möglichkeit vor Augen führen, dass man mal in unangenehmen Situationen steckt und sich vorher überlegen wie man darauf reagieren würde.
Ich glaube aber auch, dass ein CS/Pepperspray in der Tasche dazu verführt es zu ziehen oder einzusetzen auch wenn man noch andere Möglichkeiten hätte sich der Situation zu entziehen.
Rettungsassistent in München, 23 Jahre

19.12.2011, 23:36
Ist ein schwieriges Thema, ich persönlich besitze ein Pfefferspray, aber hatte es noch nie auf einem Dienst bei mir und ich habe das auch in Zukunft nicht vor.

Der Grund ist einfach, es ist etwas anderes, wenn ich Nachts um 3 Uhr in der U-Bahn alleine unterwegs bin und das Ding zur Steigerung des individuellen Sicherheitsgefühls dabei habe, als wenn ich es auf einem Sanitätsdienst führe. Warum? Auf einem Sanitätsdienst habe ich immer mindestens einen Kollegen oder eine Kollegin an meiner Seite. Je nach Lage sind wir sogar zu dritt oder viert auf Streife. Teilweise auch nur zusammen mit Security-Personal, je nach Gefährdungslage und Sicherheitskonzept. Außerdem habe ich i.d.r. auch ein Funkgerät dabei (beim Digitalfunk sogar mit Notruftaste) und wenn ich bisher auf einem Sanitätsdienst mal dringend einen Security oder POL-Beamten gebraucht habe, dann war der auch zügig zur Stelle, wenn man ihn z.B. über Funk oder lautes Rufen angefordert hat. Von daher fühle ich mich im Sanitätsdienst definitiv sicherer, als wenn ich nachts alleine mit den Öffentlichen durch die Stadt fahre oder als Privatperson auf so mancher Veranstaltung wäre, die wir absichern. Ich sehe jedenfalls bei professioneller Einsatzleitung und entsprechendem Sicherheitskonzept keinen Grund, warum ich im Sanitätsdienst eine Waffe bei mir tragen sollte. Im Rettungsdienst mag das was anderes sein.

Grüße
Berliner Schildkröte
High-water Food Service
Private Coffee, 3. preußisches Sanitätsgeschwader Berlin

19.12.2011, 23:49
Ich sehe das genau so wie Berliner Schildkröte. Ich persönlich trage meistens (besonders abends) auch Pfefferspray mit mir rum, da ich früher schon mehrfach angegriffen(und auch verletzt) wurde. Ich mache zwar Kampfsport/Selbstverteidigung, aber bin den meisten Leuten doch körperlich unterlegen und da gibt ne Waffe doch schon etwas mehr Sicherheit.
Im Sanitätsdienst wieder eine andere Sache, da dort grundsätzlich mehr Menschen sind(auf Privatpersonen etc.)

20.12.2011, 00:03
Jeder wie er will, wobei CS/Pepperspray ja eigentlich auch erst an 18 jährige abgegeben werden darf, ich weiß nicht wie es aussieht mit dem Führen von solchen Waffen.
Das Thema sollte aber eigentlich nur für RD interessant sein, nur beschränkt für SanD, und damit verweise ich mal auf den Namen dieses Forums: Schulsanitätsdienst

In der Schule haben solche Waffen nämlich gar nichts zu suchen, auch wenn's dort genauso Deppen gibt wie an den U-Bahnhöfen...
Ich weiß was manche Schulsanis so an einem Sammelsirium von Sachen rumtragen - TaschenNEF - da muss man jetzt nicht noch die Begierde auf bewaffnete Selbstverteidigung wecken...
Zuletzt geändert von Choleos am 20.12.2011, 00:07, insgesamt 1-mal geändert.
Rettungsassistent in München, 23 Jahre

20.12.2011, 00:28
Was ich noch anmerken möchte, ist, dass Pfefferspray in Deutschland nur als Tierabwehrspray und nicht für den Einsatz gegen Menschen zugelassen ist. (Wie man jetzt zweibeinige Hunde einteilt, sei jedem selbst überlassen! ;) Und über Notwehr-Situationen entscheidet ggf. ein Richter.)

CS-Gas dagegen ist zur Selbstverteidigung zugelassen und darf meines Wissens (!) ab einem Alter von 14 Jahren geführt werden.

20.12.2011, 06:28
Si vis pacem para bellum.


Original von lafidi
Als SanH solltest du neutral bleiben und so was nicht verwenden. Dies ist Sache der Polizei.


Wenn man der Angegriffene ist, dann ist man von vornherein nicht mehr neutral.

Original von sebbe1995
Bis du irgendein Pfefferspray oder eine Waffe gezogen hast (überlegen sich so manche Ärzte und RDler), hast du schon eins auf die Schnauze gekriegt.


Klares: Jein!
Es bietet sich schon an den Umgang mit dem Verteidigungsgerät seiner Wahl entsprechend zu üben. Das steigert die eigenen Chancen. Und selbst wenn man auch was drauf kriegt, hat man Chance sich entsprechend zu revanchieren.
Weglaufen ist übrigens auch nicht immer die Lösung. Wer sagt dir, daß dein Gegner nicht schneller ist?
Marc, 36 Jahre
Leiter SSD, EH-Ausb.
Ausbildungsstand: Genug um eine recht lange Liste zu produzieren.

20.12.2011, 06:30
Original von Buschi
Was ich noch anmerken möchte, ist, dass Pfefferspray in Deutschland nur als Tierabwehrspray und nicht für den Einsatz gegen Menschen zugelassen ist. (Wie man jetzt zweibeinige Hunde einteilt, sei jedem selbst überlassen! ;) Und über Notwehr-Situationen entscheidet ggf. ein Richter.)

CS-Gas dagegen ist zur Selbstverteidigung zugelassen und darf meines Wissens (!) ab einem Alter von 14 Jahren geführt werden.


Pfefferspray unterliegt in der Funktion als Tierabwehrspray nicht dem Waffengesetz. Dies hat entscheidende Vorteile. So darf man bei einer Massenveranstaltung keine Waffe bei sich führen, also nichts mit CS beim großen Sanitätsdienst. Der CS-Nebel hat den Vorteil, dass Einatmen eine Wirkung verursacht. Allerdings wird der Nebel eben auch durch den Wind beeinflusst. OC-Spray hat mit seinem Sprühstrahl eine größere Reichweite, ist windresisteter und wirkt generell besser. Allerdings muss man im Gegensatz zum CS die Schleimhäute oder die Augen treffen, sonst passiert gar nichts.

Zum Thema Notruf: Ihr könnt ja gerne mal die Reaktionszeit der Pol abschätzen und die Zeit, die der Angreifer vor Euch benötigt, um an Euch zu sein. Denkt immer daran:

Wenn Sekunden zählen ist die Polizei nur Minuten entfernt.

Es ist einer der größten Irrglauben unserer Gesellschaft, dass die Polizei uns schützt. Das kann sie gar nicht. Im Falle eines gewalttätigen Angriffs können genau zwei Personen das Outcome beeinflussen: Der Täter und das Opfer. Die Polizei kommt später, wenn alles vorbei ist, sperrt den Tatort ab, malt Kreidestriche auf die Strasse und füllt Formulare aus. Der Staat verhindert Gewalttaten nicht - er rächt sie, wenn sie schon passiert sind. Das kann man jetzt für paranoides Geschwätz von einem alten haarlosen Waffennarren halten. Aber welchem Gewaltopfer in der U-Bahn hat denn die Polizei geholfen? Die ganzen Kameras und die Überwachung haben die Arbeit des Staates erleichtert - man konnte den Täter finden und der Staat konnte sich an ihnen rächen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Opfer erst einmal schwer verletzt oder tot waren. Wenn man also verhindern will, dass man zum Kreideumriss auf der Strasse wird, dann sollte man endlich auch in unserer Gesellschaft akzeptieren, dass es Gewalt gibt und dass der Staat uns nicht schützt.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

20.12.2011, 06:41
Original von Don Spekulatius
Zum Thema Notruf: Ihr könnt ja gerne mal die Reaktionszeit der Pol abschätzen und die Zeit, die der Angreifer vor Euch benötigt, um an Euch zu sein. Denkt immer daran:

Wenn Sekunden zählen ist die Polizei nur Minuten entfernt.


Da muss ich dir leider zustimmen. Auch wenn die Polizei mich beim letzten Mal (Pol-Ruf während SanD) mit einer Eintreffzeit von 2 (!) Minuten positiv überrascht hat, hätte auch in diesen zwei Minuten natürlich einiges passieren können.

Ich war im Nachhinein sehr froh, dass der Agressor nur eine große Klappe hatte und nicht das Messer, mit dem er uns abzustechen gedroht hat. (Zitat Polizist: "Keine Sorge, der hat überhaupt nichts dabei, womit er euch gefährlich werden könnte.")

Vielleicht steck ich demnächst zu größeren Diensten auch ein OC-Spray ein... Solche Erfahrungen prägen einen, vor allem, wenn man in so einer Situation auch noch für andere Leute verantwortlich ist.

20.12.2011, 12:28
Das ist wie so oft eine Frage in der es kein Schwarz und kein Weiß gibt.....

Aber mal völlig wertungsfrei folgende Geschichte:
Vorgeschichte: Ich bin ca. 2m groß, habe ein Schultermaß wie ein "Schrank" und knapp 14 Jahre gesammelte Erfahrung in 3 verschiedenen Kampfsportarten...

Ich bin 2009 während meiner beruflichen Tätigkeit als RettAss zwei Mal verletzt worden.
Im "schwereren" Fall wurden wir auf "Erkrankt" in eine Wohnung in einem (durchaus anständigen/in einer guten Gegend gelegenen) MEhrfamilienhaus gerufen. Beim Öffnen der Tür haben wir die üblichen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten, der Bewohner bat uns freundlich herein.
Im nächsten Moment zieht er ein kleinst-Taschenmesser und schreit "euch Nazischweine, euch Schweine, ihr bringt mich ins KZ" und sticht zu, jeweils im Versuch im Halsbereich. Den ersten Stich kann ich mit der Sauerstofftasche abwehren, diese trifft, sie entreißt der Täter mir aber. In Folge wird ein Rückzug versucht, der Täter geht aber nach und sticht mir schließlich in den Oberarm, erst durch einen im Rahmen einer Verteidigungsbewegung durchgeführten Schlag kann der Täter nun soweit verzögert werden das eine Flucht möglich ist....Der Täter geht zwar weiter nach, durch den gewonnen Vorsprung von ca. 3m ist aber die Flucht in den (günstig geparkten) RTW möglich. Der Täter beschädigt diesen fröhlich weiter während wir "um die Ecke fahren"... Der Einsatz endet damit, dass ein Unterstützungskommando der POL den Täter niederknüppelt.
Resultat: Stichwunde Oberarm...
Zuletzt geändert von krumel am 20.12.2011, 12:31, insgesamt 1-mal geändert.

Nächste

Foren-Übersicht Erste Hilfe, Rettung und Medizin Hilfsorganisationen

Zurück zu Hilfsorganisationen

cron