Patient nach Hause. Aber wie?

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17.07.2017, 19:49
Hallöchen!

INFO: Unsere Schule ist relativ bekannt und sie wird von Schülern aus dem halben Bundesland besucht, man kann also von Fahrtzeiten von ca. einer Stunde rechnen.

LAGE: Patient hat schlechten Allgemeinzustand oder einen Fingerbruch usw., kann nicht in den Untereicht, kein Fall für den RD, Eltern nicht erreichbar oder verhindert aus wichtigen Gründen, Anfang eines langen Schultages...
(Ist glaube ich ein doofes Beispiel aber so etwas in der Art :D)

FRAGE: So ein Fall ist ja nix für ein KTW oder eine Taxi-Krankenfahrt, wie bekommt man ihn dann nach Hause, ohne öffentliche Verkehrsmittel, wenn die Eltern nicht an's Telefon gehen?
:good:
17.07.2017, 21:29
Rechtlich betrachtet: gar nicht. Solange die Eltern nicht erreichbar sind, liegt die Aufsichtspflicht bis Schulschluss bei der Schule. Es darf also auch nur ein Erziehungsberechtigter entscheiden, ob der Schüler alleine nach Hause und dort alleine bleiben darf. Sind diese nicht erreichbar, hat die Schule den schwarzen Peter. Und Drei Jahre Dienst an der Rotstiftfront reichen, um da ein Lied von singen zu können.

Was an einigen Schulen dann pragmatisch gemacht wird: eine Lehrkraft begleitet den Schüler zum Arzt. Aber Vorsicht: mit dem eigenen Pkw sind wir wieder im rechtlichen Tabu. Häufig haben die Schulen aber Arztpraxen, die fußläufig erreichbar sind.

Ansonsten muss der Schüler es sich halt im saniraum oder in einer Ecke des Klassenzimmers gemütlich machen und hoffen, dass die alten Herrschaften doch irgendwann erreichbar sind....
18.07.2017, 10:11
Vielen Dank für die schnelle und vor allem ausführliche Antwort! :)
:good:
18.07.2017, 21:15
Warum soll das Tabu sein mit dem eigenen Pkw? Der Quatsch hält sich auch ewig oder?
19.07.2017, 07:43
Steht tatsächlich so in unseren Dienstanweisungen, da der Schüler im Falle eines Unfalls nicht versichert wäre.
Müsste es vor drei Jahren noch so für die Prüfung in Schulrecht büffeln, für genaue Quellen müsste ich allerdings heute Abend mal in Ruhe meine Ordner wälzen.

Edit: habe zufällig gleich den richtigen Ordner gefunden. Das Problem liegt in der Dienstreisegenehmigung. Wenn ein Lehrer einen Schüler privat mitnehmen möchte, muss das vorher als dienstfahrt mit Kennzeichen und allen Beteiligten schriftlich beantragt und genehmigt werden, sonst besteht kein Versicherungsschutz. Im Akutfall steht uns also die Bürokratie gewaltig im Weg.
19.07.2017, 13:20
Um welche Versicherung soll es denn da gehen? Unfallversicherung ist irrelevant und KfZ-Insassenschutz unterscheidet nicht, wer drin sitzt. Welcher Fall soll also versichert werden?
19.07.2017, 18:29
Du ahnst es: du genau mussten wir es nicht lernen. Ich versuche mich die Tage mal durchzufragen, weil es mich auch interessiert. Soweit ich weiß, wird aber mit der Unfallversicherung argumentiert. Habe das nicht schriftlich vorliegen, daher ohne Gewähr, aber im konkreten Fall hieß es von der Schulleitung: "wenn sie einen Unfall bauen, ist die Schülerin nicht versichert“. Und so musste ein ktw für Schülerin zum Arzt bringen und meine Wenigkeit wegen der Aufsichtspflicht hinterher mit eigenem Auto. Willkommen fernab bin lebensnähe und mitten in der Bürokratie...
21.07.2017, 19:25
Diese Sorge wird vielerorts propagiert. Nur belegen konnte es bisher keiner.
22.07.2017, 09:23
Selbst wenn es im Privatauto eines Lehrers zu einem Unfall kommen sollte, bleibt die Frage, von welchem Unfallschutz wir reden.

Den Schaden am Auto zahlt die KfZ-Haftpflichtversicherung des Halters
Den Schaden an Fremdpersonen ebenfalls
Eventuell notwendige Krankenversorgung des Schülers zahlt dessen Krankenversicherung. Diese wird versuchen zu klären, ob eine andere Versicherung subsidiär für die Kosten aufkommt, aber wenn da niemand ist, dann wird sie am Ende die Kosten tragen. War schon immer so und wird immer so sein.

Unfallversicherung ist überflüssig wie ein Kropf. (Dass die Versicherungsmakler das anders sehen, ist deren Job. Aber die Unfallversicherung zahlt so gut wie nie und wenn, dann handelt es sich nur um Geld, das man eben mal so mitnimmt. Die existentiellen Schäden werden durch die Kranken- und/oder Rentenversicherung abgedeckt)

Es ist ein rein deutsches Problem, dass wir für alles versichert sein wollen, um keine Verantwortung zu übernehmen. Aber mal im Ernst: Diejenigen von uns, die einen Führerschein haben, sollten sich mal fragen, wieviel sie fahren und wie wahrscheinlich es dann ist, dass sie auf dem kurzen Weg in die Klinik einen Unfall bauen. Dem gegenüber steht ein Patient, der eventuell nicht versorgt werden kann, weil ein RTW oder KTW mit etwas belegt ist, was ein Privatauto hätte fahren können. Ressourcen sind endlich und mit der Verschiebung des individuellen Risikos auf die Allgemeinheit wird dieses aber nicht geringer.
22.07.2017, 15:09
Don Spekulatius hat geschrieben:Selbst wenn es im Privatauto eines Lehrers zu einem Unfall kommen sollte, bleibt die Frage, von welchem Unfallschutz wir reden.

Den Schaden am Auto zahlt die KfZ-Haftpflichtversicherung des Halters
Den Schaden an Fremdpersonen ebenfalls
Eventuell notwendige Krankenversorgung des Schülers zahlt dessen Krankenversicherung. Diese wird versuchen zu klären, ob eine andere Versicherung subsidiär für die Kosten aufkommt, aber wenn da niemand ist, dann wird sie am Ende die Kosten tragen. War schon immer so und wird immer so sein.


Das ist soweit richtig, berücksichtigt aber nicht ggf. über die Krankenversorgung hinausgehende Kosten - schlimmstenfalls bleibende Schäden.

Don Spekulatius hat geschrieben:Die existentiellen Schäden werden durch die Kranken- und/oder Rentenversicherung abgedeckt)


Ganz so ist das nicht. Wird der Schüler - oder ein anderer Mitfahrer - bspw. derart verletzt, dass er sein weiteres Leben lang eingeschränkt bleibt oder einen qualifizierten Beruf nicht mehr erreichen kann, zahlt das weder die Kranken- noch die Rentenversicherung.

Wie bei jeder Versicherung bedarf es auch bei der Unfallversicherung (oder einer Berufsunfähigkeitsversicherung) der kritischen Prüfung, wie wichtig sie ist, wie wichtig sie im Extremfall werden kann und ob sich das lohnt. Es gibt aber gerade auch die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur aus Spaß an der Freude ...

(Für die Kranken- und/oder Rentenversicherung gilt diese Abwägung hingegen nicht, weil es sich um Pflichtversicherungen handelt.)
22.07.2017, 15:23
caro87 hat geschrieben:Steht tatsächlich so in unseren Dienstanweisungen, da der Schüler im Falle eines Unfalls nicht versichert wäre.


Die Herleitung würde mich interessieren. Die Unfallkasse Rheinland-Pfalz sieht das dezidiert anders: http://bildung.ukrlp.de/versicherte-leistungen/versicherte/schuelerinnen-schueler/private-kraftfahrzeuge-zur-schuelerbefoerderung/

caro87 hat geschrieben:Edit: habe zufällig gleich den richtigen Ordner gefunden. Das Problem liegt in der Dienstreisegenehmigung. Wenn ein Lehrer einen Schüler privat mitnehmen möchte, muss das vorher als dienstfahrt mit Kennzeichen und allen Beteiligten schriftlich beantragt und genehmigt werden, sonst besteht kein Versicherungsschutz. Im Akutfall steht uns also die Bürokratie gewaltig im Weg.


Es wäre sehr ungewöhnlich, wenn die fehlende Dienstreisegenehmigung Auswirkungen auf den Unfallversicherungsschutz aus der gesetzlichen Unfallversicherung hätte.

Die Unfallkasse schreibt in ihrer Broschüre "Erste Hilfe in Schulen - In Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus" folgendes (S. 9):
Bei leichten Verletzungen kann es durchaus angemessen sein, den Schüler zu Fuß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Taxi oder Privatwagen zum Arzt bringen zu lassen, z.B. durch seine Eltern, eine Lehrkraft oder den Hausmeister.

http://www.kuvb.de/fileadmin/daten/dokumente/GBII/Innen_GUV-Nachdruck_Innen_GUV-X_99965.pdf

Es mag hingegen sein, dass während einer nicht genehmigten Dienstreise - richtigerweise wird es sich oft um einen Dienstgang handeln - bei einem Verkehrsunfall der Dienstherr nicht - zusätzlich zu privaten und gesetzlichen Versicherungsleistungen - für den Schaden am Kraftfahrzeug pp. haftet. Dann ist die Lehrkraft aber jedenfalls nicht schlechter gestellt als wenn es bei einer privaten Fahrt (oder auf dem Weg von der oder zur Arbeit) zu einem Unfall käme. Unfallversicherungsschutz aus der GUV müsste auch für die Lehrkraft bestehen, weil die Fahrt zum Arzt zum schulischen Aufgabenbereich gehört.

Ergänzend kann man noch die "Durchführungshinweise zu Schülerfahrten " http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVwV241576/true hinzuziehen. Selbst dort heißt es (unter 6.3 im letzten Absatz): "Das Anhalten von Kraftfahrzeugen ist mit Ausnahme von begründeten Notfällen verboten." Man darf also sogar bei einer Klassenfahrt (!) per Anhalter (!) fahren, wenn ein Notfall vorliegt. Das spricht doch sehr dafür, dass auch die Fahrt zum Arzt mit dem eigenen Auto jedenfalls versicherungsrechtlich unproblematisch ist. (Von fehlendem Unfallversicherungsschutz steht dort jedenfalls nirgendwo etwas - sondern nur der Verweis auf einen bei fehlender Dienstreisegenehmigung ggf. fehlenden beamtenrechtlichen Dienstunfallschutz.)

Im Zweifelsfall würde ich raten, eine Auskunft beim zuständigen Unfallversicherungsträger einzuholen. Die haben die notwendigen Fachkenntnisse, man kann sich auf diese Auskunft berufen, und der Unfallversicherungsträger hat zudem ganz eigennützig kein Interesse, die Fahrtkosten durch den Einsatz von KTW/RTW explodieren zu lassen.
22.07.2017, 16:54
thh hat geschrieben:Das ist soweit richtig, berücksichtigt aber nicht ggf. über die Krankenversorgung hinausgehende Kosten - schlimmstenfalls bleibende Schäden.

Das ist genau das, was ich meine. Die Menschen rauchen und saufen - da interessiert niemand ein Risiko. Wenn es aber um ein paar Kilometer Autofahrt im eigenen PKW geht, dann MUSS es unbedingt jemanden geben, der dieses völlig an den Haaren herbeigezogene Szenario absichert.

Wenn ich mir dies zu eigen mache, dürfte niemals ein Praktikant vom RTW auf dem Rückweg zur Klinik mitfliegen. Könnte ja was passieren....
22.07.2017, 17:34
Don Spekulatius hat geschrieben:
thh hat geschrieben:Das ist soweit richtig, berücksichtigt aber nicht ggf. über die Krankenversorgung hinausgehende Kosten - schlimmstenfalls bleibende Schäden.

Das ist genau das, was ich meine. Die Menschen rauchen und saufen - da interessiert niemand ein Risiko.


Das Risiko ist auch nicht versicherbar. :-)

Don Spekulatius hat geschrieben:Wenn es aber um ein paar Kilometer Autofahrt im eigenen PKW geht, dann MUSS es unbedingt jemanden geben, der dieses völlig an den Haaren herbeigezogene Szenario absichert.


Das muss nicht so sein. Man sollte aber das Risiko (a) kennen und (b) für sich bewerten, wie immer.

Es hilft daher m.E. nichts, das Unfallrisiko - das ja nun gerade im Straßenverkehr besteht - zu negieren oder zu behaupten, es sei durch bestehende Versicherungen abgedeckt, wenn dem nicht so ist.

Damit ist ja - andersherum - noch nichts über die Notwendigkeit einer zusätzlichen Versicherung oder darüber gesagt, ob und wann der Transport eines verletzten oder erkrankten Schülers mit dem privateigenen Pkw sinnvoll ist.
22.07.2017, 20:39
Nach Deiner Argumentation musst Du Versicherungsmakler sein - anders geht es nicht.
Wenn Du in Dein Auto steigst, hast Du potentiell das Risiko eines tödlichen Verkehrsunfalls. Jetzt hast Du zwei Möglichkeiten: Du lebst damit oder bleibst zuhause. Ob Du nun versichert bist, oder nicht, ist völlig irrelevant. Den Totalschaden - also den Verlust Deines Lebens - hast Du schon mit dem Einsteigen in Kauf genommen. Ob im Falle eines Unfalls mit einem anderen Outcome irgendjemand Geld bekommt oder nicht, ist unwichtig.

Oder wie ein japanischer Philosoph mal sagte: "Angst fressen Seele auf."
22.07.2017, 21:48
Ach herrje, ich hatte keine Ahnung, was ich hier für ein Fass aufmachen würde...

Ich komme in meiner Recherche nur bedingt weiter. Kann mich nur auf das berufen, was in den Unterlagen steht, die ich im ref bekommen habe (siehe oben). Und eben auf die Worte diverser Schulleiter, wenn wir mal wieder vor einem solchen Fall stehen. Immer wieder ist die Quintessenz, dass es beantragt werden muss, wenn wir keine Probleme mit der Versicherung haben wollen.
Allerdings gelten meine Aussagen für den oben geschilderten Fall. Also für Schüler, die eben kein Fall für das Krankenhaus sondern eher für einen Hausarzt und anschließend ein paar Tage Bett und Fernseher sind. Also die Fälle, die nicht unter Notfall zu verbuchen sind und trotzdem nix mehr für den Unterricht.

Weil es mich aber nach wie vor auch selbst interessiert, werde ich nochmal versuchen, das ganze zu hinterfragen. Kann aber etwas dauern, weil nächste Woche die Ferien beginnen und ich danach mal wieder an einer neuen Schule anfange (an der ich dieses Mal aber länger verpflichtet bin).

LG Caro

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