Auf dem Frühlingsfest [1x San]

Notfallszenarien für Ersthelfer bis Rettungsdienstmitarbeiter.

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15.05.2015, 20:44
Also ich fand´s richtig gut.

Max hat geschrieben: Euer Patient hätte unter Umständen auch nur Sodbrennen haben können.

Genau das ist richtig gefährlich. Ohne Labor und EKG im Verlauf wird es für Euch nie möglich sein, bei den geschilderten Beschwerden ("Habe so einen Druck auf der Brust") beweisen zu können, dass es nur Sodbrennen und kein Akutes Koronarsyndrom ist. Ich würde gerade beim Diabetiker dazu raten, immer einen Notarzt zu rufen und den Patienten in eine Chest-Pain-Unit bringen zu lassen.
Unser Ziel ist es, möglichst sensitiv zu sein - nicht möglichst spezifisch. Mit anderen Worten: Wir wollen alle Patienten erkennen, die einen Infarkt haben - auch auf die Gefahr hin, dass wir viele untersuchen, die im Nachhinein nichts haben.

Bei der Anamnese habe ich ein paar Sachen vermisst:
- Wie kam es zu dem Ereignis? Was hat er gemacht?
- Wie lang bestehen die Beschwerden schon?
- Wie lässt sich der Druck beschreiben?
- Bekommt er denn schlecht Luft oder hat er nur etwas mehr geatmet?

Ist ja nett, was man alles an Anamnese erheben kann. Hat nur keine Konsequenz - oder? Der Weg des Patienten war doch schon bei seinem ersten Satz gebahnt. Nichts von den Fragen oben hätte dazu geführt, dass man nicht mit Notarzt in die Klinik gefahren wäre. Gerade wenn Du selbst sagst...

Bei der Übergabe an den Rettungsdienst interessiert mich als RD die Verdachtsdiagnose einer jungen, fremden Sanitäterin ehrlich gesagt wenig - dazu vertraue ich dir zu wenig.


... dann wird sich der Rettungsdienst die Sozialanamnese bis in die dritte Generation ohnehin nicht anhören.

Wenn man ein Medikament nicht kennt lohnt sich ein Blick auf das Medikament selbst bzw. auf den Beipackzettel - im Prinzip war ja nicht die Indikation strittig sondern die Anwendung, eine solche lässt sich dort relativ leicht und schnell heraus lesen.


Genau, denn dann hätte man auch feststellen können, dass Bayotensin z.B. beim akuten Koronarsyndrom kontraindiziert ist.

z.B. fehlt der Druck auf der Brust in deiner Übergabe.

Genau.
15.05.2015, 22:36
Da hast du natürlich Recht, jedoch erachte bei einer Anamnese schon für wichtig zu differnzieren, ob es eine akute Verschlechterung ist oder ob es dem Patienten schon länger/regelmäßig schlecht geht, da wäre eine NA-Nachforderung m.M.n. nicht zwingend.

Das Sodbrennen ist zugegebenermaßen ein ungeeigneter Einwand.
16.05.2015, 11:27
Max hat geschrieben:Bei der Übergabe an den Rettungsdienst interessiert mich als RD die Verdachtsdiagnose einer jungen, fremden Sanitäterin ehrlich gesagt wenig - dazu vertraue ich dir zu wenig.


Mich interessiert die bisherige Arbeitsdiagnose schon. Heist ja nicht das ich das blind übernehme.


Don: Sodbrennen ist ein schlechtes Beispiel, aber Interkostalneuralgie, Pneumonie, Pleuritis, Trauma, LAE, TAA, Pneumothorax etc sind schon Überlegungen die ich habe, ehe ich mit einer medikamentösen Therapie anfange. Und es entscheidet auch darüber, ob ich einen NA nachfordere oder nicht. Das ist alles nicht mehr SSD Niveau, aber eine 100% Sensitivität zu kosten jeder Spezifität lehne ich ab. - Wie siehst du das?
16.05.2015, 19:00
Nachdem ich die Symptome von Sodbrennen nicht kenne/kannte, hab ich mich zu sehr auf Akutes Konorarsyndrom versteift.
Das ich die Anamnese weiter hätte ausbauen müssen sehe ich genau so, nur leider ist das etwas, was ich immer und immer wieder vergesse :/

Bei dem Medikamenten bin ich mir jetzt nicht ganz sicher, ob ich sie dann auch (nach dem Lesen des Beipackzettels) einnehmen lassen würde, da es so schon ein bisschen so scheint, als ob ich dem Patienten in der Situation die Medikamentennahme "verordnet" hätte und nicht nur dabei unterstützt habe.

Übergabe ist auch ein Punkt, wo ich dir zwar Recht geben muss, aus der Sicht des RD, nur in der Ausbildung wollen die Prüfer, sowohl beim Notruf, als auch bei der Übergabe vor allem die Verdachtsdiagnose hören, und der Rest ist dann "eher nebensächlich".

Ansonsten danke trotzdem für das Fallbeispiel und die ausführliche Kritik :)
16.05.2015, 20:21
M1k3 hat geschrieben:Don: Sodbrennen ist ein schlechtes Beispiel, aber Interkostalneuralgie, Pneumonie, Pleuritis, Trauma, LAE, TAA, Pneumothorax etc sind schon Überlegungen die ich habe, ehe ich mit einer medikamentösen Therapie anfange. Und es entscheidet auch darüber, ob ich einen NA nachfordere oder nicht. Das ist alles nicht mehr SSD Niveau, aber eine 100% Sensitivität zu kosten jeder Spezifität lehne ich ab. - Wie siehst du das?


Das Problem ist, dass die %, die zu 100% Sensitivität fehlen, dann die sind, die morgens tot im Bett aufgefunden werden. Daher nehme ich lieber in Kauf, viele umsonst zu behandeln, als jemanden zu übersehen. Genau das ist auch die Politik unserer CPU.

Leider sind die Friedhöfe voll von Patienten, die am Vortag wegen Rückenschmerzen oder Interkostalneuralgie beim Orthopäden Spritzen bekommen haben und dann am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen.

Liegt aber vielleicht daran, dass wir von unseren Erfahrungen geprägt werden. Ich hatte in meiner frühen Zeit als Notarzt folgenden Einsatz:
Ein Mann um die 40 kommt zum Hausarzt. Er klagt weder über Schmerzen, noch über ein thorakales Druckgefühl. Der Hausarzt schreibt ein EKG und dieses ist unauffällig. Jetzt bekommt der Hausarzt einen Telefonanruf, als er den Mann gerade vom EKG abkabeln wollte. Als das Telefonat fertig war, hatte der Mann einen STEMI im EKG.

Was lernen wir? Die Beschwerden eines Infarktes sind manchmal unspezifisch und nicht so glasklar, wie wir es uns vorstellen. Dieser Patient hat nur durch einen Zufall überlebt. Ein paar Wochen später hatte ein 35 jähriger Kollege aus dem Rettungsdienst nicht dieses Glück.....

@Mike: Ist denn Eure Politik in Berlin anders? Glaube ich kaum. Irgendwo müssen 30% Fehleinsätze ja herkommen. :rofl: :rofl: :rofl:
17.05.2015, 08:39
Don Spekulatius hat geschrieben:
M1k3 hat geschrieben:Leider sind die Friedhöfe voll von Patienten, die am Vortag wegen Rückenschmerzen oder Interkostalneuralgie beim Orthopäden Spritzen bekommen haben und dann am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen.

Liegt aber vielleicht daran, dass wir von unseren Erfahrungen geprägt werden.


Dann musst du fairerweise aber auch die Patienten auf den Friedhöfen erwähnen, die iatrogen bedingt (ob schuldhaft oder nicht völlig außen vor gelassen) dort liegen.

Und das macht doch unseren Job aus, zu entscheiden was der Patient braucht und ihm nützt - und nicht alles und jeden supramaximal zu therapieren.
17.05.2015, 13:35
Menschen sterben iatrogen, weil sie irgendwelche Eingriffe über sich ergehen lassen - nicht weil sie 6h in der CPU liegen und dort ein EKG und Blutuntersuchungen bekommen. Und Deinen Job macht es aus zu entschieden, wann ein Patient einen Notarzt braucht und wann nicht. Wiederum keine ich Deinen lokalen Notarztindikationskatalog nicht, aber Thoraxschmerzen werden sicher dort verzeichnet sein.
17.05.2015, 16:13
Don Spekulatius hat geschrieben:
M1k3 hat geschrieben:Don: Sodbrennen ist ein schlechtes Beispiel, aber Interkostalneuralgie, Pneumonie, Pleuritis, Trauma, LAE, TAA, Pneumothorax etc sind schon Überlegungen die ich habe, ehe ich mit einer medikamentösen Therapie anfange. Und es entscheidet auch darüber, ob ich einen NA nachfordere oder nicht. Das ist alles nicht mehr SSD Niveau, aber eine 100% Sensitivität zu kosten jeder Spezifität lehne ich ab. - Wie siehst du das?


Das Problem ist, dass die %, die zu 100% Sensitivität fehlen, dann die sind, die morgens tot im Bett aufgefunden werden. Daher nehme ich lieber in Kauf, viele umsonst zu behandeln, als jemanden zu übersehen. Genau das ist auch die Politik unserer CPU.

Leider sind die Friedhöfe voll von Patienten, die am Vortag wegen Rückenschmerzen oder Interkostalneuralgie beim Orthopäden Spritzen bekommen haben und dann am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen.

@Mike: Ist denn Eure Politik in Berlin anders? Glaube ich kaum. Irgendwo müssen 30% Fehleinsätze ja herkommen. :rofl: :rofl: :rofl:


Zunächst mal arbeite ich nicht in Berlin. Da müsste ich mir n Strick nehmen glaube ich.

Ich behaupte, die Friedhöfe sind nicht "voll von solchen Patienten".
Eine 100%ige Sensitivität führt zu massiven Schäden. Unnötige Tests, unnötige Infektionen, unnötige (invasive) Untersuchungen. Massive Gelder, UND: Wenn wir die CPU füllen mit lauter 30 Jährigem mit Ziehen im M. Pectoralis, dann gehen die echten ACS unter. Sowohl, weil die Tests zu lange dauern (wie viele HKL wollen wir in Deutschland noch haben? Größte Dichte an HKL in ganz Europa), wie auch, weil das Personal abstumpft bei absurden negativ Quoten...

Mehr Material, mehr Personal, das alles führt doch nicht zu einer hohen Qualität. Aus und Fortbildung werden dann eher schlechter, um nicht zu teuer zu werden. Ich kann da kein Konzept für die Zukunft sehen.

Food for thought:
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/g ... -1.2476457
17.05.2015, 17:13
Ähmmmm....... Abklärung in der CPU bedeutet explizit eben nicht HKL. Abklärung in der CPU bedeutet 3x EKG im Abstand von 6h und dreimal Blutentnahme. Wenn alles unauffällig ist, bekommt der Patient ein Belastungs-EKG und darf dann gehen. Somit ist die Anzahl von Herzkatheteruntersuchungen unabhängig von der Sensitivität, da ja nur Patienten mit STEMI oder pos. Trop überhaupt kathetert werden.
Auch Dein Artikel zielt doch wieder auf ganz andere Dinge ab. Sicherlich gibt es sinnlose invasive Untersuchungen und auch Operationen. Aber die Abklärung von Thoraxschmerzen gehört eben nicht dazu. Wird auch nicht erwähnt.

Da halte ich ein CT bei Sturz auf den Kopf für sinnloser.
19.05.2015, 08:27
Also wenn ich mit Ärzten privat spreche, sagen die schon, dass die Indikation fürs HKL extrem großzügig ist.
und pos. Trop kann man ja so und so sehen...

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