V.a. Schulterluxation

Hier könnt ihr erlebte Einsätze schildern und sie können von uns gemeinsam besprochen werden.

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02.08.2010, 14:40
Hallo Leute, ich hab da mal ne Frage.

Zur Lageschilderung: Ich betreue eine Fußballmannschaft. Das Betreuen geht von Wasserkasten hohlen bis hin zur med. Versorgung. Dazu steht eine Eisbox mit Eis, Kühlpacks und Eiswasser zur Verfügung, sowie ein "Arztkoffer" genannter Koffer mit elastischen Bandagen, Magnesium, Voltaren und Verbandzeug nach DIN 13164. Schienungsmaterial wie SamSplint steht nicht zur Verfügung.

Auch gestern stand ich wieder an der Seitenlinie und da passierte es gegen Ende: Einer unserer Spieler ist doof bei einen Foul gefallen und hat sich seinen Arm gehalten und ist vom Platz gelaufen. Er meinte, dass die Schulter draußen sei, weil er das Gleiche schon mal gehabt hat. Er hat Schmerzen gehabt und konnte den Arm nur hochhalten, d.h. ab einen Winkel von unter 90° zum Thorax konnte er seinen Arm nicht mehr hinbewegen. Also mit einen Dreicktuch ruhigstellen ging nicht. Ein Blaulichttaxi hab ich ihm empfohlen, wollte er aber nicht. Schließlich ist er dann privat von einer Bekannten ins KH gefahren worden.

Meine Frage(n): Hätte ich was besser machen können, und wie hatte man sowas auch ohne Schienen ruhigstellen können?

PS: Es ist ein erwachsener Mann, also wenn er NEIN zum RTW sagt, muss ich das akzeptieren.

Danke im Vorraus für die Antworten.

MfG MAX
Habe mich entgültig verabschiedet!!!

02.08.2010, 16:20
Also verstehe ich das richtig, der Arm war vom Brustkorb weg oberhalb des Schulterniveaus abgestanden? Quasi als ob man über dem Kopf 'nen Apfel pflücken will und dann den Arm nach seitlich herabkippen lässt bis in eine annähernde waagerechte Haltung?

Da kannst Du nichts weiter machen in Bezug auf Ruhigstellung. (Ausser halt, den Patienten sich hinlegen lassen, das er den Arm auf dem Boden ablegen kann und nicht selbst halten muss). So gut der Patient kann, muss er den Arm dann selbst halten (würd ich bei Schulterlux und Unterarmfraktur eh immer favorisieren für einen Ersthelfer - die Patienten halten den Arm schon so, dass sie wenig Schmerzen haben.

Zusätzlich kannst Du Eis anbieten, um eine Schmerzlinderung zu erreichen und ein ggf folgendes Anschwellen im Bereich des Gelenks zu verhindern/minimieren. Letztlich muss er eh in die Klinik und nach einer Röntgenkontrolle den Arm wieder eingerenkt bekommen.
Speziell bei dieser abnormen Armhaltung (wenn sie so wie oben war), ist eine Luxationsposition zu vermuten, die nur schwierig wieder zu reponieren sein wird.

Hast Du peripher (also an der Hand) mal DMS überprüft? Das wäre dabei noch äusserst wichtig, denn wenn da Auffälligkeiten sind, sollte man den RTW+Notarzt doch vehemend im Sinne des Patienten einfordern. ;)
Gerrit (RettAss)
"Wir sind längst im Paradies, haben die Hölle draus gemacht!" --- ASP, Ich bin ein wahrer Satan
ASP - Sage Nein!

02.08.2010, 16:50
ReCap unter 2sek, Motorik in den Fingern vorhanden Schulter konnte er nur noch unter Schmerzen bewegen, Kein Kribbeln im Finger oder so. Also DMS unauffällig.

Er konnte den Arm nicht mehr an den Körper anlegen.
Eis wollte er auch nicht, war aber auch nur eine minimale Fehlstellung zu erkennnen und keine Schwellung.
Zuletzt geändert von BORN TO RESCUE am 02.08.2010, 16:51, insgesamt 1-mal geändert.
Habe mich entgültig verabschiedet!!!

03.08.2010, 08:13
Original von GeKue
Hast Du peripher (also an der Hand) mal DMS überprüft? Das wäre dabei noch äusserst wichtig, denn wenn da Auffälligkeiten sind, sollte man den RTW+Notarzt doch vehemend im Sinne des Patienten einfordern. ;)

Warum?
Selbst WENN Motorik, Sensibilität oder Durchblutung eingeschränkt WÄREN, würde dem Patienten doch kein RTW oder ein NA helfen, sondern ein Krankenhaus und eine definitive Therapie. Als NA würden sich meine Maßnahmen darauf beschränken, den Befund ggf. zu bestätigen und mein Protokoll auszufüllen. All das würde nun wieder Zeit kosten. Übrigens - auch wenn das in der Ausbildung immer wieder anders dargestellt wird - bei beiden Problemen reden wir von Stunden, in denen eine Therapie erfolgen muss, nicht Minuten.
Wenn er die Schmerzen so weit im Griff hatte, dass er mit einem Privat PKW gefahren werden konnte, dann ist das ok.
Es ist Dein Recht, Waffen abzulehnen. Es ist Deine Freiheit, nicht an Gott zu glauben. Aber wenn jemand in Dein Haus einbricht, sind die ersten beiden Dinge, die Du tun wirst: Jemanden mit einer Waffe rufen und beten, dass er rechtzeitig da ist.

03.08.2010, 14:16
Hm, ich hab unlängst in einer Weiterbildung u.a. zu dem Thema gelehrt bekommen, dass in dem Fall ein Repositionsversuch vor Ort durchgeführt werden sollte - auch ohne Rö-Abklärung.
Hab ich übrigens auch (zugegebener Maßen bei Chirurgen im NA-Dienst) des Öfteren erlebt.

Mit Deiner gleichen Begründung würdest Du ja auch ein Reponieren bei Frakturen mit Fehlstellung und Gefäß- oder Nervenabklemmung/-schädigung auf's Krankenhaus verzögern?
Auch in dem Fall hab ich durchaus andere Erfahrungen gemacht (hier sogar von Anästhesisten) und ebenfalls in der Lehre so vermittelt bekommen.

Verzichtest Du für Dich prinzipiell auf derartige Versuche vor Ort, weil Du den Zeitrahmen so großzügig gesteckt siehst oder kommen da noch andere Sachen in Deine Entscheidungsfindung mit rein? Aktuell entsteht bei mir der Eindruck, das Du prinzipiell Reponierungsversuche auf's KH verlegst!?
Gerrit (RettAss)
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03.08.2010, 15:23
Wenn sich die Reposition auf eine reine In-Line-Traktion beschränkt, dann würde ich dies eventuell noch machen. Für die sinnvolle Reposition einer großen Extremität oder eines großen Gelenks sollte man erstens wissen was man tut und zweitens sollte der Patient relaxiert sein. Bei einer Nervenkompression, die ein paar Stunden anhält, erholt sich der Nerv mit fast 100%iger Wahrscheinlichkeit, solange er nicht durchtrennt ist. Sollte ein Gefäß verschlossen sein, so ist die betreffende Extremität auch noch für Stunden zu retten, schließlich führen wir ja auch stundenlage OPs in Blutsperre durch.
Ich weiß, dass Chirurgen dies nun anders sehen (schließlich ist dies ja auch das einzige kleine Argument, warum man überhaupt noch einen Chirurgen als NA braucht), aber ich kann Dir sagen, dass der Patient mit der Nervenkompression immer problemlos noch ein paar Stunden warten kann, wenn der elektive Patient vor ihm nur den richtigen Kostenträger hat. :D
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03.08.2010, 17:13
Nun ja, das der Patient durch einen Anästhesisten auch präklinisch adäquat relaxiert wird, setze ich als Gegeben voraus. :P

Gut, OPs in Blutleere und die Widerstandsfähigkeit eines Nerven in Bezug auf Druck (zumindest in der Langzeitregeneration) sind mir geläufig - mit dem Argument kann ich umgehen. Was Druck kurzfristig auslöst kann jeder an sich am Ellenbogen testen, alternativ 'nen Gürtel zu straff anlegen oder 'ne Weile einen Rucksack mit mieser Schulterpolsterung tragen. :D

Haben wir hier also wieder einmal ein schönes Beispiel, wie unterschiedlich die verschiedenen Fachrichtungen ein Problem angehen. Und wir armen RDler müssen dann sehen, das wir es dem jeweiligen Doktor recht machen. *grins*
Zum Glück arbeite ich daran, irgendwann auf der anderen Seite zu stehen. HöHö. In dem Sinne geht's jetzt lieber weiter mit der Physikumsvorbereitung. *grummel*
Gerrit (RettAss)
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