Also bitte, Jürgen.... Du vergleichst grad ernsthaft den Einsatzdienst mit dem Dienst in einer Leitstelle, stellst die Frage von SAR21 als dumm dar und bist nicht gewillt eine konstruktive Diskussion mit Don weiter auszuführen? Das enttäuscht mich, ich kenne Dich anders.
Und jmd, der nicht mal in eine Leitstelle länger als nur für eine Führung reinschnuppern konnte weiss auch nicht, wie die Arbeit dort ausschaut. Egal wieviel Erfahrung er im RD, bei der Feuerwehr oder sonstwo gesammelt hat.
@SAR21: Madhef hat schon vieles angesprochen. Ein paar Beispiele möchte ich noch aus meiner Erfahrung mit dazu bringen, dadurch wird's vermutlich etwas plastischer.
Es ist in vielen Situationen wirklich schwierig, alle Informationen aus einem aufgeregten Anrufer heraus zu bekommen. Gerade wenn es Dinge sind, die für denjenigen sehr dramatisch wirken (Bilder am Unfallort, Ereignis oft mit nächsten Verwandten od. eigenen Kindern, Feuer, etc. ) Dann musst Du daraus wieder das filtern, was Du nun konkret brauchst und daraus Deine Entscheidungen ableiten, was Du alarmierst oder ob Du überhaupt der richtige Ansprechpartner für das Problem bist!
Dann erwarten viele Leute auch konkrete Handlungsanweisungen - aber Du weisst ja gar nicht, was da vor Ort gerade passiert oder wie sich die Lage darstellt. Und wenn Du jmd in der Leitung hast, der Dir seine Lebensgeschichte klagt, parallel eine andere Notrufleitung aufläuft, Deine Kollegen ebenfalls am Telefon hängen wird's eng. Nebenbei will der RD über Funk wissen, wohin sie genau sollen bzw beschwert sich das niemand aufmacht und Du bitte den Anrufer nochmal zurück rufen sollst, damit er sich bemerkbar macht. Wenn in dem Moment auch noch die BMA von einem Hotel/Krankenhaus/Schule/Kindergarten aufläuft oder ein weiterer Anrufer Dir was von einem verunfallten LKW mit "orangenen Tafeln dran, da stehen Zahlen drauf" berichtet ....
Zudem stellt sich auch immer wieder die Frage, ob man denn wirklich alle Informationen hat. Natürlich arbeitet man sein Frageschema ab, aber jede Notrufabfrage verläuft anders.
Beispiel: Ein Anruf, aufgeregte junge Frauenstimme, im Hintergrund barbarisches Kindergeschrei - Information das sich das Kind, 4 Jahre mit kochender Flüssigkeit verbrüht hat. Gesicht, Oberkörper, Bauch und Arme. Adresse erfragt, Namen erfragt, während der Einsatzaufnahme in der Protokollmaske im PC hab ich dann noch Anweisungen erteilt, dass sie doch bitte das Kind ausziehen mögen und lauwarm abduschen sollen. Da fiel im Nebensatz am anderen Ende "[Name], versuch mal, [Kindsname] auszuziehen und bei Euch in die Wanne zu stellen"
Quizfrage: Wo steckt der Fehler? Welches Problem erwartet RTW und NEF am Einsatzort?
Andere Baustelle: Von über 90% der Anrufe bekommt die Besatzung der Rettungswachen ja gar nichts mit. Seien es Scherzanrufe, Fälle die eigentlich zur Polizei gehören und die dann vermittelt werden, einfach Leute, die Dir ihre Seele ausschütten (die auch hilfsbedürftig sind...da ist mal schnell gesagt "ich will nicht mehr leben" - ja, da muss man auch hellwach sein), Anfragen über Bereitschaftsärzte, Bereitschaftsapotheken, verletzte Tiere (!), bei uns im Bereich wird noch der kassenärztliche Notdienst abgewickelt (auch toll: KV-Arzt ausreichend? Notarzt nötig? ....) und die ewig leidigen Diskussionen mit Leuten, die einen Entzug machen wollen und daher vom RTW abgeholt werden möchten oder die ihre Saufkumpanen plötzich nicht mehr mögen, da der Alk alle ist und die abgeholt haben wollen. Eltern, deren Kind sei x Tagen Fieber hat, die n RTW wollen und dann plötzlich nicht in der Lage sind, ihr Auto aus der Garage zu holen und das eigene Kind selbst zum Arzt/KH zu fahren.
Dann hast Du:
- die alte Dame, deren Mann morgens nicht zum aufwacht, um mit ihr zu Frühstücken
- den Vater, der seine 16jährige Tochter morgens um halb 6 Uhr im Zimmer auf dem Boden findet, nachdem sie nachts feiern war ... die aber nicht alkoholisiert ist, sondern nicht mehr schnauft und das schon seit Stunden
- die Familie, deren Hab und Gut gerade in Flammen aufgeht
- die Frau, die nachts von der Landstraße anruft und Dir erzählt, das direkt vor ihr ein Auto mit 5 Jugendlichen in die Allee geballert ist
- eine Stimme, die gebrochenes Englisch spricht und Dir versucht klar zu machen, in welchem Reisebus, auf welcher Autobahn in Deinem Gebiet in Höhe welcher Abfahrt ("no idea!") sie denn die "chest pain" haben
- die Ehefrau, die sich im Bad eingeschlossen hat aus Angst vor ihrem prügelnden Ehemann, den Du im Hintergrund versuchen hörst, die Tür kaputt zu treten
.... ich könnte ewig weiter machen.
PS: Körperlich anstrengend ist das hingegen nicht. Wobei: langes Sitzen kann auch anstrengend werden